Kapitel Sieben bis Elf

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Siebtes Kapitel
Bruchtal

Der restliche Tag verlief ergebnislos. Gwaihir ließ sich nicht mehr sehen, sie fanden noch immer keine Spur der Orks, aber sie besprachen ihr weiteres Vorgehen.
Merry sagte: "Ich finde, wir müssen kurz in Bruchtal einkehren und uns vielleicht von dort Verstärkung holen. Das könnte doch funktionieren!"
"Ich weiß nicht genau... Verpflegung sollten wir uns von dort auf jeden Fall holen, soviel steht fest. Aber macht euch keine Hoffnungen, wir können nicht lange verweilen!" mahnte Gandalf.
Sie ritten bis in die Nacht und erreichten nach Mitternacht die Wetterspitze. Aufmerksam schärften sie ihre Sinne, um vielleicht etwas zu vernehmen, das auf Orks schließen ließ, doch sie wurden enttäuscht. Gandalf schlug vor, eine Pause zum Schlafen einzulegen, aber Merry und Pippin war sehr unwohl bei dem Gedanken, an der Wetterspitze zu übernachten. Also ritten sie noch zwei Meilen und suchten sich dann ein geschütztes Plätzchen, wo sie sich alle niederlegten und in tiefen, aber kurzen Schlaf fielen.
Am nächsten Tag geschah erst wiederum so gut wie gar nichts, doch plötzlich ließ Gandalf Schattenfell anhalten und stieg ab. Er ging etwa zehn Meter weit von der Straße ab und bückte sich. In der Hand hielt er einen Leinenfetzen undrief die Hobbits herbei.
Pippin und Merry liefen zu ihm und sahen um sich. Es waren sehr viele Fußabdrücke zu erkennen, orkische. Dort, wo Gandalf den Fetzen aufgehoben hatte, waren deutlich Fußabdrücke eines Hobbits zu erkennen. Pippin jubelte vor Freude und Erleichterung. Merry jedoch ließ sich so leicht nicht begeistert, er ließ sich vielmehr von Gandalf den Leinenfetzen reichen und inspizierte ihn genauestens.
"Gandalf... ich sehe, da ist viel Dreck dran. Schon klar. Aber die anderen braunen Flecken, die scheinen im Stoff drin zu sein. Es sieht aus wie getrocknetes Blut, findest du nicht?" Stumm nickte Gandalf. Das gefiel keinem der drei. Genauestens inspizierte Gandalf den Fetzen so, wie er ihn gefunden hatte. Zusammengefaltet und -geknotet, außen voller Schmutz und innen Blut. Außerdem entdeckte er einige trockene und zerkrümelte Blätter, die er herunterklaubte, um daran zu riechen.
"Athelas! Was hat das zu bedeuten?" murmelte er.
"Das ist Königskraut, nicht?" fragte Merry und Pippin nickte.
"Pippin, bitte setz dich mal und leihe mir mal kurz deinen Fuß!" sagte Gandalf und verwundert machte Pippin, was Gandalf verlangt hatte. Gandalf hielt den Fetzen an Pippins Fuß und die Form, die der Lappen inzwischen angenommen hatte, paßte genau über seine Ferse. Auch die Knoten saßen am richtigen Platz, um Sinn zu machen.
"Nun, das erklärt sich leider nicht von selbst, aber zweifellos will es erklärt werden!" überlegte Gandalf laut. Prüfend schaute er sich die Hobbitabdrücke an und stellte fest, daß an einem nicht dieselben Abdrücke an der Innenfläche zu vermerken waren wie an dem anderen.
"Seht! Tatsächlich hatte einer der beiden um die Fersen Leinen gewickelt und eines hier verloren. Das kann man gut sehen, denn die Falten haben sich beim anderen Abdruck sichtbar eingedrückt. Das ist erstaunlich..." Gandalf war auf der richtigen Fährte.
"Wieso erstaunlich? Da ist eins verloren gegangen", sagte Pippin.
"Natürlich, aber das meinte ich nicht. Ich frage mich, was vorgefallen ist, daß robuste Hobbitfüße so etwas brauchen und außerdem würde ich zu gern wissen, wo das Leinen überhaupt herkommt. Es stammt nicht von Frodos oder Sams Kleidung, denke ich."
Grübelnd setzte er sich auf einen Stein. Pippin begutachtete die Fußabdrücke.
"Daneben sind kleinere. Ich weiß es! Sam hat die größeren Füße und dort finden sich die Abdrücke des Leinens. Also hatte er es um die Fersen gewickelt. Seltsam..."
Er folgte des Spuren ein klein wenig weiter und bat Merry, ihm zu helfen. Sie stellten sich in die Abdrücke von Frodo und Sam und versuchten, durch Nachahmen den Gang nachzuvollziehen, den die beiden an den Tag gelegt hatten. Dabei kamen sie zu einem überraschenden Schluß.
"Gandalf, sieh mal! Merry muß sich auf mich stützen, um so komisch gehen zu können, wie Sam es getan hat!"
Sie demonstrierten es ihm, indem sie den Spuren folgten. Gandalf war verblüfft. "Ihr seid klasse, wißt ihr das? Also rekonstruieren wir: Sam hat Leinen um seine blutigen Fersen gewickelt gehabt und mußte sich auf Frodo stützen. Das klingt nicht gut. Aber was haben die Kerle mit ihm angestellt, daß er wunde Fersen hatte?"
Eine Zeitlang standen sie regungslos und stumm da und dachten nach. Schließlich hatte Merry eine Idee. "Pippin, ich probiere mal etwas mit dir aus!"
Pippin ließ es mit sich machen. Merry griff ihm, als sie Rücken an Rücken standen, unter die Arme und sagte: "Laß dich fallen, ich zieh dich hinter mir her und du sagst Bescheid, wenn dir was wehtut!"
Mit einem ziemlich verwirrten Gesichtsausdruck kommentierte Pippin Merrys Bemühungen und Gandalf lachte.
"Ihr zwei seht so lustig dabei aus!"
Es dauerte eine Minute, in der Merry mit Pippin im Schlepptau im Kreis herumlief und schließlich rief Pippin: "Laß das, stop, das tut weh!"
"Wo?"
"An den Fersen, du Blödmann!"
Gandalf verdrehte die Augen.
"Natürlich! Einer der Orks wird ihn hinter sich her geschleift haben, bis seine Fersen blutig waren!"
Entsetzt sahen die Hobbits erst sich, dann Gandalf an und Pippin sagte: "Du meinst, man hat Sam...?"
"Genau das hat man. Wo das Leinen herkommt, weiß ich nicht, aber es scheint so, als habe Frodo sich für Sam um Königskraut bemüht! Na so was..."
"Ein gutes hat die Sache: Wir wissen, daß sie noch leben", versuchte Merry, die allgemeine Stimmung aufzuheitern.
"Natürlich, nur wie? Das scheint mir ein ganz furchtbares Zeugnis für die Brutalität von Orks zu sein. Ich vermute, Sam war ihnen zu frech und sie haben ihn bestraft, indem sie ihn hinter sich her über den Boden geschleift haben. Wahrscheinlich haben sie das so gemacht, daß auch seine Beine auf den Boden kamen, denn sonst wäre die Sache halb so schlimm. Ich kenne die Gemeinheit von Orks. Der arme Junge!"
Das erschien ihnen allen logisch und Gandalf packte den Fetzen ein.
"Also weiter, wir wissen, daß wir auf dem richtigen Weg sind! Ich habe vorhin im Augenwinkel nur etwas helles dort liegen sehen, das Leinentuch. So ein Zeichen hat uns bisher gefehlt, um die Spur zu finden. Ich habe mir die Spuren angesehen. Die Erde war nicht mehr sehr matschig, aber sie ist immer noch nicht trocken. So lange kann es nicht her sein, daß sie hier waren!"
Sie ritten weiter und nach einer Meile hielt nun Pippin an und rannte ins Feld. Er hatte das zweite Leinentuch gefunden. Dieses war plattgetreten, aber ohne Zweifel das Gegenstück zu dem, was sie bereits gefunden hatten.
Pippin regte sich darüber auf, wie Orks nur so dumm sein konnten, zehn Meter neben der Straße zu gehen. Aber ihnen sollte es recht sein.
In der Nacht ruhten sie sich wieder gut aus und in der Morgendämmerung entdeckten sie Gwaihir am Himmel, der zur Landung ansetzte.
"Nun, ihr Gefährten, wie geht es euch heute?" fragte er sie. Sie nickten alle und Pippin zuckte mit den Schultern.
"Naja, wie soll es uns gehen? Wir sind genervt, geschlaucht, haben keine Lust mehr. Aber wir geben die Hoffnung nicht auf, denn gestern haben wir Spuren gefunden!"
Gwaihir war erstaunt und ließ sich das Leinen zeigen und man erzählte ihm, was sie sich überlegt hatten.
Er nickte wissend und sagte: "Nun zu meiner Entdeckung. Gestern bin ich endlich fündig geworden. In den Wetterbergen habe ich versucht, sie aufzuspüren, aber dort waren sie nie gewesen. Ich habe nur einen einsamen Waldläufer angetroffen, aber der konnte mir auch nicht weiterhelfen. Ich hielt mich entlang der Straße und flog etliche Meilen nach Osten, als ich plötzlich etwas entdeckte. Fast auf halber Strecke zur Letzten Brücke war das, also etwa 25 Meilen von hier. Ich ging in den Sinkflug, um näher heranzukommen und besser zu sehen, denn ich konnte zwar alle einzelnen Mitglieder des Trupps erkennen, aber nicht, was eure beiden Freunde taten. Das sah für mich sehr komisch aus. Ich habe tunlichst Wert darauf gelegt, nicht entdeckt zu werden, damit sie nicht schneller würden. Es scheint mir geglückt zu sein, denn niemand reagierte. Ich habe folgendes gesehen, was mit euren Vermutungen übereinstimmt: Der dunkelhaarige Halbling stützte den anderen. Den habe ich mir genauer angesehen und festgestellt, daß seine Hose an den Unterschenkeln völlig zerfetzt ist. Ich glaube, ich konnte Blutflecken erkennen, großflächige Wunden. Sie scheinen ihn sehr lange geschleift zu haben, die brutalen Orks. Außerdem, wie soll ich sagen, zuckte er mehrere Male zusammen und beugte sich nach vorne, als hätte er Husten. Das war in der Dämmerung und ich habe mich dann auf den Weg zurück zu euch gemacht, habe zuerst in den Wetterbergen Ausschau gehalten, als ich heute morgen das Licht der Dämmerung nutzen konnte, doch daß ihr schon hier seid, damit hätte ich nicht gerechnet. Gut, es ist bekannt, daß Orks sehr schnell sind. Es ist unglaublich, in welch kurzer Zeit sie diese weite Strecke zurückgelegt haben und sie hängen euch scheinbar ab. Aber laßt euch nicht entmutigen, ihr holt sie schon noch ein, denn wenn der eine Halbling krank und verletzt ist, können sie nicht so schnell laufen wie sonst."
"Was wirst du als nächstes tun?" fragte Gandalf, sichtlich besorgt.
"Ich werde Richtung Düsterwald fliegen, um mich nach den Elben zu erkundigen und werde euch dann wiederum Bericht erstatten!" erklärte er.
"Kann ich euch sonst irgendwie helfen?"
Sie verneinten und schon schwang der Windfürst sich wieder in die Lüfte.
Erst nach einigen Minuten sprachen die Hobbits darüber, was sie soeben erfahren hatten.
"Das ist ja gut und schön, daß wir prima kombinieren können, aber das Ergebnis gefällt mir überhaupt nicht!" maulte Pippin.
Gandalf nickte zustimmend. "Die Orks sind wirklich unglaublich brutal, das brockt ihnen aber nur selbst ärger ein. Sam kann nicht zaubern, er wird sie aufhalten. Nur wird uns das nichts helfen, denn wir können sie nicht angreifen. Wir würden nur Gefahr laufen, selbst in ihre Fänge zu geraten. Das möchte ich nicht riskieren, ihr etwa? So leid es mir tut, die beiden noch länger der festellen und Folter auszusetzen, wir können nichts für sie tun, jedenfalls im Moment nicht."
Das sahen sie ein und sie ritten schweigend weiter. Der Tag ging ohne weitere Zwischenfälle zuende, der nächste brachte auch keine neuen Erkenntnisse und ebensowenig der übernächste. Es war eine einzige Geduldsprobe für die drei, selbst Gandalf hatte manchmal große Lust, einfach aufzugeben, aber er wußte, daß er das nicht konnte. Sie zwangen sich dazu, weiterzureiten. Ihre Gesundheit war kaum angeschlagen, nur die erste frostige Winterkälte machte ihnen ein wenig zu schaffen. Die Nächte waren besonders kalt und sie machten jedesmal ein Feuer, um nicht im Schlaf zu erfrieren. Ihre Vorräte wurden knapper und sie nutzten jede Wasserquelle, um ihre Behältnisse wieder aufzufüllen. Das Wetter war meistens nicht schlecht, es war bewölkt, aber trocken und sie waren willens genug, immer weiterzureisen.
Am folgenden Tag erreichten sie die Letzte Brücke und Gandalf war froh, daß die Hobbits so robuste und schnelle Ponys ritten, denn sie waren wirklich sehr weit gekommen in kurzer Zeit. Sie waren höchstens zwei Wochen unterwegs und nur noch hundert Meilen von Bruchtal entfernt. Sie passierten die Trollhöhen in den nächsten Tagen und vier Tage später fanden sie sich tatsächlich in Bruchtal wieder. Gerade als sie auf die Gebäude zuritten, kam wieder Gwaihir zu ihnen heruntergeschwebt.
"Meine Freunde! Ich habe gute Nachrichten für euch. Die Elben sind bereit und haben sich bereits auf den Weg gemacht, herauszufinden, wo Kankra sich im Düsterwald herumtreibt. Sie wissen, daß sie dort ist, nur nicht, wo sie ist. Aber sie werden es in Erfahrung bringen und sind willens, für euch und eure Freunde gegen bösartige Orks in den Kampf zu ziehen. Ich habe aber noch mehr erfahren: Ich habe die Orks und eure Freunde wieder erspäht. Es geht dem einen Halbling nicht schlechter als zuvor, denke ich, zumindest habe ich nichts gegenteiliges erkennen können. Zur Zeit befinden sie sich nicht weit von hier vor den Bergen und ich vermute, sie werden sich an den Aufstieg zum Caradhras wagen. Ich glaube kaum, daß sie einen der verborgenen Geheimwege unter der Erde kennen, denn sie sind keine Orks von hier. Außerdem dürften diese für Orks ohnehin nicht groß genug sein, denn sie wurden von keinen erschaffen."
"Danke, du bist uns eine wirkliche Hilfe! Du verdienst den löblichen Titel Verteidiger des Friedens, mein Freund!" bemerkte Gandalf.
"Nun, da ist noch etwas. Von Süden kam vor wenigen Stunden eine Gruppe Menschen zu Pferd, sie sahen aus wie Südländer, wie Menschen aus Gondor. Genauer habe ich sie mir nicht betrachtet, aber sie waren auf dem Weg nach Bruchtal und ich habe eine Elbin unter ihnen erkannt."
Vor Freude schrien Gandalf und die Hobbits auf.
"Ist das wahr? Dann sind uns unverhofft Aragorn und sein Gefolge zu Hilfe gekommen!" jubelte Merry. Die Freude war riesig und sobald Gwaihir sich wieder in die Lüfte erhoben hatte, um die Orks weiterhin auszuspionieren, ritten sie im Galopp Richtung des letzten heimischen Hauses.

Sie erreichten die elbische Zuflucht, die hinter der Grenze zur Wildnis lag, sehr schnell und tatsächlich herrschte dort ein reges Treiben, ein Kommen und Gehen. Prächtige Pferde aus Gondor wurden von Stalljungen herumgeführt und Pippin brach in Jubelschreie aus. Davon aufgestört traten Menschen an die Fenster und verschwanden sogleich wieder.
Die drei Gefährten saßen ab und übergaben die Zügel ihrer Tiere den Stallburschen, die sie sogleich wegführten. Gandalf ging voran und noch bevor sie die Tür erreichten, öffnete sie sich und da stand Aragorn, stolz und schön, der König von Gondor.
"Streicher!" brüllte Merry, Pippin pflichtete ihm bei und sie sprangen Aragorn um den Hals.
"Nun", begann dieser, "ich bin angenehm überrascht! Mit euch hätte ich hier am wenigsten gerechnet, aber es erfreut mich zutiefst! Endlich sehe ich meine Freunde wieder! Euch wollte ich im Auenland besuchen kommen, denn Arwen zog es zurück in ihr Heim zu einem Besuch, was wir mit einem Abstecher nach Hobbingen verbinden wollten. Ich freue mich ja so!"
Gandalf lächelte gütig und sagte: "Du bist eine unverhoffte Hilfe, du erleichterst mein Herz ungemein! Und natürlich freue ich mich auch so wirklich, dich wiederzusehen!"
Die beiden Hobbits grinsten bis über beide Ohren, als sie so neben Aragorn standen und zu ihm aufsahen in seiner noblen Garderobe, aber seine Augen zeigten immer noch das alte Feuer von damals.
Er führte sie ins Haus und sie setzten sich im Versammlungsraum um einen runden Tisch.
"Meine Freunde, ich habe euch berichtet, was mich hertrieb. Nun verratet mir, warum seid ihr hier und nur ihr?"
Es herrschte ein betretenes Schweigen. Sofort merkte Aragorn, daß etwas nicht stimmte.
"Was ist vorgefallen?"
Merry begann zu erzählen. "Gandalf und Frodo waren im Herbst mit Bilbo und den Elben zu den Grauen Anfurten gereist, um Mittelerde Richtung Westen zu verlassen. Wie du siehst, sind sie zurückgekommen, denn Frodo hatte es sich anders überlegt. Ich sah ihn in Beutelsend wieder, als ich zu Besuch kam, und war natürlich überglücklich. Doch dann kamen eines Nachts Orks und entführten ihn."
Aragorn wurde bleich im Gesicht. Das brachte den so selbstsicher wirkenden Fürsten aus der Fassung.
Sie berichteten ihm also, was geschehen war und Aragorn reagierte sichtlich geschockt.
"Das ist wirklich schrecklich. Furchtbar, die beiden Kleinen allein mit Orks, die sie quälen und dem Tode ausliefern wollen! Wir werden so schnell wie möglich aufbrechen und ihnen mitsamt meines Gefolges folgen. Die werden uns nicht los, höchstens ihr Leben. Das werden sie mir teuer bezahlen! Aber ich wußte nicht, daß Kankra noch lebt!"
"Niemand wußte das. Sie ist das schlimmste Wesen, das in Mittelerde noch existiert. Sie darf Sam und Frodo niemals mehr zu Gesicht bekommen, das wäre ihr qualvolles Ende!" sagte Gandalf.
Die Tür öffnete sich im gleichen Augenblick und Arwen trat ein, wunderschön wie eh und je und reagierte mit freudiger überraschung auf die Neuankömmlinge.
Schnell wurde ihr ebenfalls erzählt, was sie hierhergeführt hatte, und auch sie verlor die Beherrschung.
"Das sind schlimme Neuigkeiten. Wir müssen sie auf jeden Fall retten!" sprach sie mit wohlklingender Stimme und verzauberte die Hobbits damit aufs Neue.
Pippin war inzwischen eingeschlafen. Er hatte die Arme auf dem Tisch verschränkt und seinen Kopf darauf gebettet. Gleichzeitig gähnte Merry und Aragorn stand auf, hob Pippin sachte hoch und trug ihn aus dem Raum. Merry folgte ihm erschöpft und er führte die beiden in ein Zimmer, wo er Pippin ins Bett legte und zudeckte. Merry legte sich in ein anderes Bett und schlief im nächsten Augenblick ein.
Als Aragorn in den Versammlungsraum zurückkehrte, sagte er: "Sie brauchen die Ruhe, aber wir können nicht lange verweilen, fürchte ich. Ich werde Proviant bereiten lassen und mein Gefolge unterrichten. Wir werden sie retten, Gandalf, das verspreche ich dir, so wahr ich der König von Gondor bin!"
Ohne weiter nachzudenken, glaubte Gandalf es ihm. Er wußte, sie würden es schaffen. Wer hier zu ihm sprach, das hatte er immer gewußt, zeigte nun sein edles und stolzes Wesen in einer ehrbaren Art. Das hatte er schon immer an sich gehabt, aber nun kam es zur vollen Entfaltung und das machte Gandalf glücklich. Er wußte, für Gondor hatte das neue Zeitalter mit einem guten, einem wahrhaft gütigen König begonnen.
Er besorgte sich unbemerkt in der Küche etwas zu essen und nutzte die günstige Gelegenheit für eine Wäsche, doch dann suchte er die Hobbits und legte sich zu ihnen schlafen. Aragorn sah eine Stunde später nach ihnen und sagte zu Arwen: "Ich denke, als erstes muß ich bald die Kontrollen verstärken, die Boten müssen acht geben, daß alles Böse aus unserer Reichweite verschwindet!"
Sie nickte und beide ließen die erschöpften Reisenden noch eine Weile schlafen.

Merry wachte erfrischt auf. Es war Nacht, aber Hunger plagte ihn und er gab ihm nach. Pippin fand er im Bett liegend und selig schlafendund beschloß, ihm etwas aus der reichhaltigen Küche mitzubringen. Er schlich leise durchs Haus, dessen Gänge von Kerzen erhellt waren und er hörte Stimmen. Im Versammlungsraum war eine rege Diskussion im Gange. Er hörte Aragorns Stimme, aber der Hunger drängte ihn in die Küche und er räuberte alles, was er finden konnte. Was würde das für ein Festmahl werden!
Brot, Fleisch, Milch, Früchte, Käse und viele andere gute Dinge spürte er auf und packte sich damit seine geräumigen Taschen voll. Mit einem Apfel, den er genüßlich verspeiste, postierte er sich neben der Tür des Versammlungsraumes und lauschte.
"Die Waldelben kommen uns ebenfalls zu Hilfe und wir haben die Adler als Boten. Wir befinden uns also auf der sicheren Seite und schaffen es schon, diese wenigen Orks zu besiegen, um die Halblinge vor einem grausamen Tod zu retten. Ihr müßt nichts fürchten, nur die Kälte, aber dagegen kann man sich behelfen."
Das mußte Aragorn sein.
Denjenigen, der jetzt sprach, konnte Merry nicht verstehen. Plötzlich tippte ihm eine Hand auf die Schulter. Es war Pippin.
"Du hast mich vielleicht erschreckt!" entfuhr es Merry.
"Was tust du hier?" fragte Pippin.
"Na was wohl, lauschen! Die bereden da den Angriff. Willst du auch was essen?"
Sie setzten sich glücklich schmausend auf den Boden und waren nachher so satt, daß sie nicht mehr Piep sagen konnten. Plötzlich näherte sich ein Schatten.
"Wer ist da?" fragte Pippin frech und atmete auf, als es Arwen war. Ihr Nachtgewand war so schön wie ihr Kleid, das sie am Tage getragen hatte und sie setzte sich zu den beiden Hobbits auf den Boden.
"Ich sehe, euch beiden geht es gut. Es war in Ordnung, daß ihr in der Küche wart, denn wen solltet ihr auch fragen? Da würde ich jetzt nicht unbedingt reingehen, denn darin werden Schlachtpläne geschmiedet und sie brauchen ihre Ruhe. Zum Glück haben sie vorhin wenige Stunden geruht. Gandalf ist ebenfalls da und berät sich mit ihnen. Das ist wichtig. Wenn sie fertig sind, werdet ihr sofort aufbrechen."
"Du kommst nicht mit?" Arwen verneinte Merrys Frage.
"Ich bin gekommen, um euch etwas zu erzählen. Ihr wißt doch bestimmt von Frodos Edelstein, den ich ihm damals geschenkt habe."
Die Hobbits nickten.
"In der letzten Zeit war es mir so, als würde ich große Not spüren und ich konnte sie nicht zuordnen. Jetzt ist mir klar, ich habe gespürt, wie Frodo gelitten hat. Ihr müßt wissen, dieser Stein hat ein wenig Macht und kann heilen. Er kann Kräfte verleihen, er spendet wohltuende Wärme in Stunden der Angst und ich bin froh, daß Frodo ihn trägt. So wie es scheint, stärkt der Stein zwei verlassene, ängstliche Hobbits, von denen einer sehr krank ist, befürchte ich. Aber dennoch bin ich zuversichtlich, daß man Kankra ein für allemal ein Ende bereiten und eure Freunde vor dem Tode retten kann. Allein die Kraft der Freundschaft hält die beiden noch am Leben, denke ich, und eure Freundschaft wird für sie zu einem sehr wichtigen Gut werden, also schenkt sie ihnen bedingungslos. Ich bin sicher, das würdet ihr auch ohne meine Worte tun, denn ihr kennt die Folter, die die beiden durchmachen. Laßt euch nie entmutigen, ihr seid stärker als jede Krise!"
Es war wie eine Erleuchtung für die Hobbits, es stärkte ihren Mut und ihren Willen und sie glaubten fest daran, was Arwen ihnen sagte.
Bald stand sie wieder auf und verließ die beiden Hobbits mit einem Wort des Abschiedes, das sie nur allzu gut kannten: "Namárie!"
Die beiden fühlten sich gut und gestärkt und warteten nur darauf, daß die Tür sich öffnete und man zum Kampf blies. Darauf hatten sie eine schiere Ewigkeit gewartet.
Bald war es soweit. Sie hatten sich in der Zwischenzeit auch eine Wäsche gegönnt und standen frisch und munter vor den vielen großen Menschen, die sie durchaus sehr ernst nahmen und in ihrer Mitte nach draußen führten, wo bereits die Pferde bereitstanden, beladen mit Gepäck und Waffen. Pippin freute sich riesig, als er Beregond erkannte, den er damals in der Weißen Stadt kennengelernt hatte. Er war es auch, der Pippin nun mit auf sein großes, kräftiges Pferd nahm und Merry sollte mit einem anderen Gefolgsmann Aragorns reiten.
Es war ein erfreuliches Wiedersehen zwischen alten Bekannten, die sich nicht vor Kälte noch Nach scheuten, sondern nur daran dachten, den Hobbits in Gefangenschaft das Leben zu retten.
Auf einen Ausruf hin setzten sich sofort alle Pferde in Bewegung. Besorgt fragte Merry: "Was wird aus Lutz und dem anderen Pony?"
Dunórin, der mit ihm ritt, antwortete: "Keine Sorge, mein kleiner Freund, man wird sich gut um sie kümmern bis zu eurer Rückkehr!"
Das beruhigte Merry ungemein und er war zufrieden und voller Tatendrang, als sie so durch die mondhelle Nacht ritten in die Richtung des Hohen Passes. Es blieb ihnen nichts anderen übrig, als ihn zu überqueren. Noch konnten sie es sich erlauben, denn es war nicht allzuviel Schnee dort oben zu erwarten und das Wetter war gut gewesen in den vergangenen Tagen.
Die Hoffnung hatte die Hobbits wieder und auch Gandalf schien voller Zuversicht zu sein. Die unerwartete Hilfe war genau das, was ihnen gefehlt hatte, und nun waren sie nämlich in der überzahl.

Achtes Kapitel
Wachsendes Leid

Sie hatten die Wetterspitze hinter sich gelassen und zumindest das Wetter quälte die Hobbits nicht weiter durch Regen, jedoch wurde es in den Nächten immer sehr kalt.
Als die Morgendämmerung hereinbrach, warf Frodo einen Blick auf Sam, der mühsam neben ihm herlief. Der Anblick entsetzte Frodo aus einem ganz bestimmten Grund: Sam war kreideweiß im Gesicht, ihm stand Schweiß auf der Stirn und er atmete schwer.
"Was ist mit dir? Geht es dir nicht gut?" fragte Frodo besorgt.
"Es geht schon. Mir ist nur ein wenig flau im Magen und ich habe Kopfschmerzen. Um genau zu sein, tut mir eigentlich alles weh. Mach dir aber wegen mir keine Sorgen."
"Wirst du krank? Du siehst schlecht aus!"
Sam schüttelte den Kopf und Frodo schwieg. Er glaubte ihm kein Wort und es dauerte keine Stunde, da legte Sam seinen Arm um Frodos Schultern und schleppte sich weiter.
Frodo hatte ihm zu Recht nicht geglaubt, denn er spürte genau, wie er krank wurde. Es breitete sich unaufhaltsam in ihm aus, er dachte schon, er hätte Fieber und fühlte sich schwach. Jedoch wollte er nicht, daß Frodo sich Sorgen machte, aber es gelang ihm nicht, das zu verhindern.
Während Sams Zustand sich den Tag über immer mehr verschlechterte, schien Frodo das genaue Gegenteil zu erleben: Es machte ihm nicht die geringste Mühe, Sam zu stützen, und das über viele Stunden hinweg. Inzwischen beherrschte er das Verdrängen der Angst, die Sam einfach nicht losließ, doch Frodo machte sie nicht mehr zu schaffen. Er fühlte sich in gewisser Weise für Sam verantwortlich und das gab ihm viel Kraft, weil er wußte, daß er sie brauchte. Und Sam brauchte ihn.
Weiter ging es durch die öden Wiesen neben der Großen Oststraße. Noch immer war der Boden vom Regen durchnäßt und zu seiner Freude stellte Frodo fest, daß sie viele Fußabdrücke im Boden hinterließen. Gleichzeitig sah er, daß Sam kein Wort darüber verloren hatte, daß er einen der um seine Fersen gewickelten Leinentücher verloren hatte.
"Hast du nicht gemerkt, daß du einen der Leinenwickel verloren hast?" fragte Frodo. Sam sah nach unten und schüttelte den Kopf. "Tatsächlich, ich habe einen verloren. Sowas!" Er hustete. Frodo legte seine Hand auf Sams Stirn, sagte aber nichts. Für ihn schien klar: Sam bekam Fieber.
Wenig später hatte Sam auch noch das zweite Leinentuch verloren, die Knoten hatten sich einfach so gelöst. Aber inzwischen hatten die Wunden sich so gut geschlossen, daß es ihn gar nicht störte. Zumindest spürte er gar nichts. Sehr schlecht ging es ihm, als sich der Abend näherte und er schaffte es auch nicht mehr, das zu verbergen. Immer wieder hustete er, wurde heiser und Schüttelfrost plagte ihn.
Irgendwann ließ er sich neben Frodo zu Boden fallen, weil er sich nicht mehr an ihm hatte festklammern können.
"Sam, steh auf. Komm schon, du kannst das!" bettelte Frodo und zog Sam wieder hoch, was ihn einiges an Kraft kostete, denn Sam hatte nicht mal mehr dafür welche.
Frodo machte kurzen Prozeß und hob Sam auf seine Arme. Die Orks machten immerhin keinerlei Anstalten, einzugreifen. Schagrat gab ihnen keine Anweisungen dazu, weil er dachte, daß Sam es alleine schaffen müßte. Doch dazu war er einfach nicht mehr in der Lage.
Es strengte Frodo anfangs nicht einmal besonders an. Wo diese Kraft herkam, konnte er sich nicht erklären, aber ihm erschien es mühelos, Sam zu tragen, der reglos und mit glasigem Blick in seinen Armen lag und in den Himmel starrte, nichts fixierend.
Der Anblick machte Frodo Angst, aber als es spät am Abend war, legten die Orks endlich wieder eine Pause ein und brachten ein kleines Feuer in Gang. Daneben legte Frodo Sam ab und bat darum, Königskraut suchen zu dürfen.
In der Dunkelheit fiel es ihm schwer, etwas zu erkennen, und es gelang ihm auch nicht. Mit leeren Händen kehrte er zu Sam zurück, der zusammengerollt vor dem Feuer lag, aber soweit schien es ihm ein wenig besser dabei zu gehen.
Frodo setzte sich neben ihn und richtete Sam behutsam ein wenig auf, sodaß dieser in seinen Armen lag und sich verzweifelt daran festkrallte.
"Du hattest Recht, ich werde krank. Ich habe Fieber, Husten, alles tut mir weh und mir ist schlecht. Ich will nicht mehr weiter und dir falle ich nur zur Last."
"Nein, das ist schon in Ordnung, Sam. Es macht mir keine Mühe, wirklich nicht."
"Ich wünschte, die würden mich einfach nur hier liegenlassen!"
Bald darauf nickte Frodo ein, aber Sam fand lange keinen Schlaf. Es ging ihm miserabel, aber Frodo im Rücken zu spüren, spendete ihm ein wenig Trost in dieser Situation. Doch ein Gedanke ließ ihn einfach keine Ruhe finden: Eigentlich wollte Kankra sich nur an ihm alleine rächen, aber so wie es aussah, wollten sie Frodo auch keine Gnade schenken, sondern ebenfalls ihr ausliefern.
Er entschloß sich plötzlich dazu, Schagrat danach mal zu fragen.
"Darf ich eine Frage stellen?"
Schagrat bedachte ihn mit einem finsteren Blick, aber er nickte.
"Warum laßt ihr Frodo nicht gehen? Sie will ihn doch gar nicht, sie will nur mich und mich habt ihr! Er hat ihr nie etwas getan, warum schenkt ihr ihm nicht das Leben?"
Erst antwortete der Ork nicht, dann sagte er unvermittelt: "Würde er denn überhaupt gehen wollen?"
Das gab nun Sam zu denken. Schagrat war wirklich nicht gerade dumm. Er hatte genau gemerkt, wie groß die Freundschaft der beiden war.
"Aber anbieten könntet ihr es ihm doch!"
"Das ist wahr. Wir haben ihn anfangs nur als Druckmittel gebraucht, ihn, den Falschen, um den Richtigen zu bekommen. Danach war er für uns eigentlich unwichtig, aber es ergab sich so. Erst vor kurzem ist mir aufgefallen, was er alles für dich tut und ich denke, er würde nie gehen wollen. Aber fragen wir ihn, wenn er aufwacht!"
Nun schluckte Sam dennoch schwer. Der Gedanke, daß Frodo vielleicht trotzdem gehen und ihn allein mit diesen Unwesen ließ, machte ihm sehr zu schaffen.
Schließlich siegte aber die Erschöpfung und er fiel in einen fiebrigen Schlaf.
Mitten in der Nacht erwachte er, einfach so, wachte er wieder auf. Er stellte fest, daß Frodo ihn noch immer festhielt und in die Ferne blickte.
"Du bist noch da, was für ein Glück!" entfuhr es Sam und Frodo sah ihn lange an, bevor er etwas sagte.
"Ja, Schagrat hat vorhin mit mir gesprochen und mir vorgeschlagen, was du ihn gefragt hattest. Aber ich kann dich nicht allein lassen und sei es, daß ich dir in den Tod folge! Ich könnte nie damit leben, dich allein im Stich gelassen zu haben. Und das will ich wirklich nicht tun, denn in deinem Zustand geht das einfach nicht. Du bist doch mein bester Freund! Wie könnte ich das jemals tun?"
"Doch, tu es. Du mußt doch nicht bleiben! Ich kann das doch verstehen!"
"Aber ich nicht. Warst es nicht du, der mir bis nach Mordor gefolgt ist in der Aussicht, nie mehr von dort zurückzukehren?"
Darauf wußte Sam nichts zu erwidern.
Die Lösung wäre gewesen, daß er geflohen wäre, aber das konnte er nicht. Er war einfach nicht dazu in der Lage.
Kurz darauf rief Schagrat zum Aufbruch und die meisten der Orks murrten lustlos.
Aber Schagrat nahm seine Pflichten sehr ernst.

Anfangs schaffte Sam es wieder, ohne Frodos Hilfe mitzuhalten, aber im Laufe des Vormittages stützte er sich wieder kraftlos auf ihn und Frodo half ihm aufopferungsvoll.
Sams Husten wurde immer schlimmer, aber erst bei einer Essenspause konnte Frodo auf die Suche nach Königskraut gehen. Diesmal wurde er zum Glück fündig und bereitete Sam daraus einen Tee.
Aufmerksam sah Sam ihm zu, wie er allein in der Nähe durch die Wiesen lief und schließlich mit einigen Blättern zurückkam. Er besorgte sich eifrig alles bei den Orks, was er brauchte, und innerhalb kurzer Zeit reichte er Sam einen wohlriechenden, aber bitter schmeckenden Trank. Begierig stürzte Sam sich darauf und lächelte Frodo zutiefst dankbar an.
Er war für ihn losgezogen, er war zurückgekommen und ihm lag etwas daran, daß er wieder zu Kräften kam. Bald schon spürte er die Wirkung des Königskrautes: Er faßte wieder Mut und er spürte neue Kraft in sich. Nicht genug, allein zu gehen, aber er würde mit Frodos Hilfe bis zum Ende des Welt gehen, dachte er bei sich.
Den ganzen Tag über hielt die heilende Wirkung der Pflanze an und Schagrat bewunderte heimlich immer wieder, was Frodo alles tat und fertigbrachte. Es ging ihm einfach nicht in den Kopf, daß jemand so viel für jemand anderen tun konnte. Fast überlegte er sich, - nein, das würde er nie tun, soviel stand fest. Manchmal taten sie ihm doch ein wenig leid, aber niemals würde er Sam woanders abliefern als bei Kankra.

Die Hobbits hielten weiterhin das Tempo der Orks mit und nach vielen Meilen, in denen Sams Erschöpfung wieder wuchs, überschritten sie die Letzte Brücke und Frodo dachte sehnsüchtig an Bruchtal, in dessen Nähe sie sich wohl begeben würden. Wie gern würde er jetzt dort einkehren!
Obwohl er immer wieder suchte, wann er nur konnte, fand Frodo kein Königskraut mehr für Sam. Es wurde immer kälter und Sams Zustand wurde wieder schlimmer. Sein trockener Husten begleitete den ganzen Trupp ständig, er konnte ohne Frodos Hilfe keinen Schritt mehr tun und hatte seit langem Fieber, das nur langsam zurückging.
Es zehrte an all seinen Reserven. Nicht nur Frodo suchte nach vitaminreicher Kost für ihn, sogar die Orks bemühten sich um reichhaltige Mahlzeiten für ihn auf Befehl von Schagrat. Daran mangelte es Sam nicht und er aß auch immer etwas, aber er hatte selten wirklich Hunger und Frodo glaubte, sehen zu können, daß Sam an Gewicht verlor.
Er wurde immer schwächer und schwächer, er sprach kein einziges Wort mehr und jeder Schritt war eine fürchterliche festellen für ihn.
Niemand scherte sich darum, sie hofften, ihn lebendig bis in den Düsterwald zu bringen und dann würde er sowieso sterben, dachten die Orks bei sich. Niemand außer Frodo. Er machte sich große Sorgen, er war verzweifelt und hilflos. Immer wieder fragte er Schagrat, ob der nicht irgendwas für Sam tun konnte, aber nichts geschah.
Kein Königskraut mehr, Frost, Erschöpfung und Angst. Es zehrte an Sam und an einem Nachmittag, an dem sie die Trollhöhen passierten, brach er schließlich entkräftet zusammen. Unter Tränen brachte er hervor: "Ich kann nicht mehr weiter. Es geht nicht, ich schaffe es nicht. Bitte, laßt mich doch in Frieden sterben! Quält mich nicht weiter."
"Nein, Sam. Das lasse ich nicht zu. Ich werde dich wieder tragen."
Schagrat war darüber sehr zufrieden, denn so mußte er sich wieder um nichts kümmern.
Während die Orks sich lebhaft unterhielten in ihrer fürchterlichen Sprache, lachten und grölten, schleppte Frodo Sam Meile um Meile weiter, doch es half Sam nicht. Er fiel in einen fiebrigen Schlaf und schließlich bat Frodo um eine Pause.
Er lehnte Sam an einen Baum und versuchte, ihn zu wecken. Keine Reaktion.
"Sam, komm schon, du mußt mir jetzt helfen, denn sonst kann ich nichts für dich tun! Bitte! Sprich mit mir!"
Sein Flehen blieb unerhört. Schließlich suchte er nach dem Verschluß der Kette, an der sein geliebter Elbenstein baumelte und legte sie Sam um den Hals. Dann steckte er den Stein unter Sams Hemd und sagte: "Gleich bin ich zurück. Einen Moment nur, ich versuche mein Glück allein!"
Aufmerksam beobachtete Schagrat ihn bei seiner Suche. Zu weit durfte Frodo sich trotz allem nicht entfernen, denn er war ihnen sehr nützlich im Bezug auf Sam.
Schließlich kam Frodo dann doch mit leeren Händen zurück, aber zu seiner Freude blickte Sam ihm schwach in die Augen.
"Kannst du mir helfen? Sag mir, wie sehen Pflanzen mit heilender Wirkung aus?"
"Frodo, ich muß dich enttäuschen. Königskraut wuchert fast überall, aber alle anderen Pflanzen sind nur spärlich zu finden und das nicht im Winter. Du wirst keinen Erfolg haben, es tut mir leid."
Niedergeschlagen setzte Frodo sich neben ihn und merkte, wie Sam fror.
Also stand er wieder auf und besorgte ihm eine Decke, in die er ihn wickelte und er schmiegte sich an ihn, um ihn zu wärmen.
Wie im Traum nahm Sam das wahr und er bezweifelte, daß er es jemals lebendig in den Düsterwald schaffen sollte. Eigentlich war ihm das gar nicht so unrecht, aber er vermißte seine kleine Tochter und Rosie so sehr. Er wollte wieder gesund werden und nach Beutelsend zurückkehren, aber er machte sich keine Hoffnungen darauf. Einen schnellen, friedvollen Tod hätte er sich in dieser Situation wirklich gewünscht.
Doch sobald er nur einen kleinen Gedanken kurz daran verschwendete, fühlte er, wie angenehme Wärme seine Brust und bald seinen ganzen Körper durchflutete.
Während Frodo neben ihm vor Sorgen der Verzweiflung nahe war, griff Sam unter sein Hemd und fühlte den Elbenstein, seine Wärme und sah sein Leuchten.
"Du hast doch nicht etwa... Frodo? Warum hast du das getan? Das kannst du nicht!"
"Doch, ich kann es. Ich hoffe, daß er dich heilen kann. Du brauchst ihn jetzt nötiger als ich!"
Bald marschierten sie weiter und Frodo trug Sam. Es fiel ihm nun wirklich sehr schwer und er hielt es nicht sehr lange durch. Schließlich sagte er zu Sam: "Ich kann nicht weiter mit dir, ich muß dich absetzen. Es geht nicht mehr. Kannst du laufen?"
"Ich werde es versuchen", sagte Sam und das tat er dann auch. Zwar mußte er sich wieder einmal auf Frodo stützen, aber er war in der Lage, weit zu laufen.
Erleichtert lächelte Frodo und weiter ging die Reise Richtung Bruchtal.

Sam wußte nicht, seit wievielen Tagen sie nun schon unterwegs waren. Das wollte er auch gar nicht wissen, es hätte ihn nur frustriert. Zu der Stunde, in der sie an Bruchtal vorbeimarschierten, versuchte er erstmals wieder, ohne Frodos Hilfe mitzumarschieren. Es gelang ihm unter Anstrengungen, aber er merkte genau, was für eine Last von Frodo abfiel und so bahnte er sich seinen Weg ganz allein.
Sie unterhielten sich wieder miteinander. über belanglose Sachen redeten sie und erinnerten sich zurück an vergangene Tage, während die Orks unter sich in rege Diskussionen vertieft waren, die die beiden wieder einmal nicht verstehen konnten. Schagrat ließ sie immer noch keine Sekunde aus den Augen, denn jetzt wo Sam auf dem Wege der Besserung zu sein schien, wuchs die Fluchtgefahr seiner Meinung nach.
Unvermittelt ließ er eine Pause einlegen und gab Befehl, die beiden zu fesseln. Zwar nahm einer der kleinen Orks, der Lagdasch genannt wurde, ihre Hände nicht auf den Rücken, aber Frodo war trotzdem wütend und wußte ganz genau, was Schagrat sich dachte.
Als würde er nicht dennoch wegrennen können, wenn er wollte!
Es war eigentlich auch völlig egal, ob man ihnen die Hände nun vorne oder auf dem Rücken fesselte. Es störte ihn einfach nur sehr.
Das Nebelgebirge rückte unaufhaltsam näher und Frodo fragte Schagrat: "Müssen wir über den Paß? Ist der nicht bereits verschneit?"
"Nun, der Hohe Paß ist meines Wissens die einzige Möglichkeit, rüberzukommen und wir schaffen das auch irgendwie. Oder weißt du etwas besseres?"
Frodo schüttelte den Kopf und ließ es gut sein. Er vermutete zwar, daß die Orks darüber auch gekommen waren, aber er hatte den Caradhras in einer schrecklichen Erinnerung.
Abends sah er wieder einmal nach Sams Wunden, wie gut sie verheilten war ihm ein ständiges Anliegen.
Es sah nicht schlecht um seinen Freund aus. Die Wunden verheilten gut und er war auch längst nicht mehr so krank wie noch einige Tage zuvor. Sie führten das ganz klar auf den Elbenstein zurück. Sam hatte sich immer noch nicht ganz auskuriert, der Husten hielt an und er fühlte sich noch immer schwach, also trug er den Elbenstein weiter, der anscheinend seine Selbstheilungskräfte angetrieben hatte.
Welch eine Erleichterung war das für Frodo!
Am nächsten Tag erreichten sie den Paß und machten sich an den beschwerlichen Aufstieg. Es war ein frostklarer, sonniger Tag und der Schnee, der auf den Hängen lag, blendete sie mit seinem leuchtenden Weiß. Unaufhaltsam stapften die Orks durch den Schnee und bald merkten sie, wie sehr die Hobbits sie aufhielten, die allein aufgrund ihrer Größe nicht weiterkamen, sondern immer bis über die Knie in der weißen Pracht versanken. Schließlich nahmen zwei Orks die beiden hoch und trugen sie den ganzen weiten Weg über den Caradhras.
Die Nacht wurde unerträglich kalt. Den Orks war das noch egal, die waren widerstandsfähig, aber die Hobbits wickelten sich bis über die Nasenspitze in Decken ein und es gab ein allgemeines Gemecker über das Fehlen von Brennholz. Das alles kümmerte Schagrat wenig. Im Kopf rechnete er nach, wie lange sie noch brauchen würden bis zu ihrem Ziel. Nun, da Sam sie nicht mehr aufhielt, konnten sie noch schneller marschieren, denn er hatte gesehen, daß die Hobbits das mitmachten. Wenn sie sich beeilten, konnten sie in knapp einer Woche am Ziel angelangt sein: Das Lager der Spinnen im Düsterwald.

Sie hatten ihren Sitz in den vielen Jahren, seit Bilbo auf seiner großen Fahrt mit den Zwergen mit ihnen ärger gehabt hatte, weiter nach Süden verlagert, fast bis zur Alten Waldstraße. Die Elben, die weiter nördlich lebten, hatten sie zu sehr gestört.
Und nun lebte seit mehr als einem Jahr Kankra bei ihnen, von der sie abstammten. Sie alle waren der Gemeinsamen Sprache mächtig, aber wenn sie die wenigen Reisenden, die sich in den Düsterwald wagten, verspeisen wollten, sparten sie sich meistens vorherige Diskussionen.
Sie waren die reinste Plage, aber man konnte nicht viel gegen sie ausrichten. Doch Kankra, die noch immer an ihren Verletzungen litt, lebte etwas abseits von ihnen und pflegte ihren Haß in einer Höhle, denn darin fühlte sie sich am wohlsten. Sie hatte dort viele Netze gespannt, einfach nur so, um es zu einem Ort des Grauens werden zu lassen. Die anderen Spinnen hausten bevorzugt in den Bäumen, nicht jedoch Kankra, die zeigte sich selten vor dem Eingang ihrer Höhle.
Wenige Elben waren ihnen in all den Monaten in die Fänge geraten und sie mußten sich diese und die anderen Opfer, die sie gefangen und gefressen hatten, teilen. Neben Kankras Haß wuchs auch der allgemeine Hunger. Die Orks waren ihre Verbündeten, darüber hatte man sich geeinigt und die wurden nicht gefressen. Was die Orks allerdings im Schilde führten im Einvernehmen mit Kankra, wußten die anderen Spinnen nicht. Denn sie hätten etwas von Sam zugeteilt bekommen wollen, aber er sollte Kankra ganz allein gehören. Erst wollte sie sich in aller Form und ausführlich an ihm rächen, so daß er sich wünschen würde, schnell zu sterben, und irgendwann würde sie ihm dann den Gefallen tun, bevor er von selbst starb, würde sie ihn töten und genüßlich fressen.
Den Gedanken an Kankra hatten sowohl Frodo als auch Sam mittlerweile erfolgreich verdrängt. Sie suchten nur so nach Zeichen ihrer Freunde oder nach Gelegenheiten, zu fliehen, aber es war nichts zu sehen und keine Möglichkeit bot sich ihnen an, ihren Entführern davonzurennen. Das Ziel ihrer Reise war etwas, das für die beiden noch in weiter Ferne lag und sie hofften beharrlich auf rechtzeitige Rettung. Warum also sollten sie über Kankra, Folter und Tod nachdenken?
Obwohl der Caradhras nicht ohne war, war Sam schon fast wieder gesund, als sie sich an den Abstieg machten. Frodo schätze die Zeit ihrer Gefangenschaft auf drei Wochen, aber er konnte es nicht genau sagen. Es konnte auch weniger sein, doch es kam ihm wie eine Ewigkeit vor.
Manchmal dachte er darüber nach, daß vor vielen, vielen Jahren Bilbo sich ebenfalls der Alten Furt zusammen mit den Zwergen genähert hatte, allerdings auf einer ganz anderen Basis. Zwar war das auch alles nicht ganz freiwillig geschehen, wie Frodo wußte, aber diese Reise war für Bilbo immer unvergeßlich gewesen.
Eines Abends, als die Dämmerung hereinbrach und Kälte mitführte, meinte Frodo, hoch oben zwischen den Wolken einen Adler zu erkennen. Nicht, daß er etwas von dort gehört hätte, aber er nahm ihn einfach wahr.
Er stieß Sam an und dieser hob den Blick. Beide versuchten sie, so unauffällig wie möglich den Adler zu beobachten und schließlich sagte Sam: "Windfürst. Gwaihir. Oder?"
"Bestimmt!" erwiderte Frodo kurz.
"Was meintet ihr gerade?" fragte Schagrat. Frodo schüttelte den Kopf und sagte: "Windstill, fiel mir auf. Es ist windstill. Oder nicht?"
überraschend traf ihn ein Schlag mitten ins Gesicht.
"Lüg mich nicht an! Ich habe das Wort Windfürst sehr wohl verstanden und den komischen Kauz auch schon zweimal vorher gesehen. Ich weiß genau, daß eure Freunde uns dicht auf den Fersen sind und Spione in ihrem Dienst haben. Deshalb beeilen wir uns ja auch so! Denn ihr braucht euch keine falschen Hoffnungen zu machen: Solange wir da sind, führen wir unsere Aufgabe auch aus!"
Frodo rieb sich entrüstet die Nase und entdeckte Blut an seinen Fingern. Wut entbrannte in ihm, aber er schaffte es, sich zu beherrschen und unterdrückte den Wunsch, Schagrat zu verprügeln. Der Gedanke brachte ihn unwillkürlich zum Grinsen, denn wie würde das aussehen? Er im Zweikampf mit diesem Riesen. Wunderbar, die Siegeschancen waren gleich Null.
Blut tropfte auf sein Hemd und er tat nichts dagegen. Warum sollte er auch. Er haßte diesen Ork, wie alle anderen auch, aber ausrichten konnte er nichts, absolut gar nichts gegen sie. Der Gedanke an irgendwelche Fluchtversuche war sehr verlockend, aber nicht zu realisieren. Es waren mehr und sie waren schneller. Man brauchte es gar nicht erst auszuprobieren.
Ebenso hatte Sam seine Lektion gelernt. Zwar brüllte er Schagrat an, als dieser Frodo schlug, aber dann beließ er es bei bösen Blicken und trat genervt kleine Kieselsteinchen vor sich her.
Irgendwann wollte er Frodo auf einmal seinen Elbenstein zurückgeben, aber Frodo winkte ab.
"Nein, behalt ihn. Er soll dir Kraft sein in hoffnungslosen Stunden."
Fast hätte er hinzugefügt: "Ich werde ihn nicht so nötig brauchen wie du", aber dann verworf er den Gedanken und außerdem konnte er sich da auch nicht sicher sein.
Nun hatte die Angst ihn wieder. Schweiß trat auf seine Stirn und er atmete schwer. Sam bemerkte das sehr wohl, sagte aber nichts. Allerdings nahm er Frodos Hände und hielt sie einen kurzen Augenblick ganz fest. Das verschaffte ihnen beiden Erleichterung.
Die Todesangst wurde nur von einer einzigen Hoffnung erstickt: Die anderen waren da und würden kommen. Bestimmt würden sie es schaffen.

Der nächste Morgen begann mit einem Schneetreiben. Es war genauso wie strömender Regen: Es dauerte nicht lange, und alles war triefnaß. Mit hängenden Köpfen marschierten sie immer weiter auf die Alte Furt zu, die Kleidung klebte ihnen am Leib und sie froren bitterlich. Ihre hoffnungsvolle Stimmung wich dann doch noch der Angst, die wuchs, mit jedem Schritt, der sie dem Düsterwald näherbrachte.
Sie überquerten eine Hügelkuppe und da lag er vor ihnen, so weit das Auge reichte: der finstere, unheimliche und gefahrvolle Düsterwald, in dem sich nur Untiere und erstaunlicherweise Elben wohlfühlten. Sam bekam Herzrasen und Panik befiel ihn. Krampfhaft versuchte er sich zu beruhigen, dann sah er Frodo an, der am ganzen Leib zitterte. Er sah wieder das mordlüsterne Monstrum vor sich und blieb plötzlich einfach stehen.
Sofort versetzte Ugreb ihm einen unsanften Stoß, er fiel hin und schlug sich die Knie wund. Ellbogen und Hände bluteten dort, wo er aufgekommen war und er zwang sich, nicht vor Schmerz zu weinen.
Die Zeit lief wirklich gegen sie. Sie drängte, dringend brauchten sie Rettung. Immer näher brachte sie jeder einzelne kleine Schritt, dem Tode näher, der Qual und dem Vergehen.
Jetzt spürte Sam das warme Glühen des Elbensteines in dieser für ihn dunklen Stunde.
Unerwartet verfiel Frodo auf elbische Worte. Er hielt die Augen geschlossen, seine Lippen zitterten, als er sprach: "A Elbereth Gilthoniel..." Natürlich fuhr Schagrat, dem die Worte gar nicht behagen, ihm sofort über den Mund und Frodo war ruhig. Sam nahm wieder seine Hände und versuchte, Frodo zu beruhigen. Doch dieser bewegte stumm die Lippen weiter und Sam übersetzte im Herzen, was Frodo sprechen wollte: "Elbereth und Gilthoniel, vom weitblickenden Himmel: Ich schreie unter Todesangst und wache für mich, Fanuilos!"
Andächtig gingen die beiden weiter, sie versuchten, nicht völlig auszurasten und sie überschritten schließlich die Alte Furt. Jetzt waren es höchstens noch fünfzig Meilen. Düster und bedrohlich ragten die undurchdringlichen, dichten Bäume des Düsterwaldes vor ihnen auf wie eine Mauer.
Wenn es noch Hilfe gab, mußte sie sehr schnell kommen!
Instinktiv drehte Frodo sich herum und spähte nach Verfolgern aus, aber seine Hoffnungen wurden zunichte gemacht. Nichts und niemand war zu sehen.
Es wurde Nacht, es wurde wieder Tag und wieder Nacht, nichts passierte, kein Verfolger näherte sich und Sam weinte. Rettung war fern, der Düsterwald nah und sein Ende nur noch eine Frage der Zeit.
Bitterlich weinte er, schleppte sich langsam weiter und ließ den Kopf hängen. Frodo ging es nicht viel besser. Immerzu dachte er an das abscheuliche achtbeinige Monster, willens zu töten und ihnen ein langsames Ende zu bereiten. Es half nichts, er konnte die Gedanken daran nicht mehr verdrängen, nein, sie wurden immer schlimmer. Er hielt Sams Hand und ein wenig Wärme schien er zu spüren, ein wenig Hoffnung schien noch immer zu bestehen und plötzlich bebte die Erden. Die Orks fuhren herum. Nur noch einige Schritte war die grüne Mauer aus Pflanzen von ihnen entfernt, als Reiter auf prächtigen, großen Pferden heraneilten. Menschen aus Gondor waren es, Sam erkannte sie sofort und ebenso Frodo und sie rannten zwischen den aufgemischten Orks hindurch und versuchten, zu ihren Rettern zu gelangen. Sie waren fast zwischen den Orks hindurch, als Ugreb und ein anderer sie packten und blitzschnell mit ihnen in den Wald rannten.
Die Menschen näherten sich unter Geschrei und die beiden Hobbits schrien wie im Wahn um Hilfe. Doch die Orks schlugen sich mit ihnen ins Unterholz und waren mit nichts einfriger beschäftigt als damit, die beiden wehrlosen Hobbits zu knebeln und weit von der Straße weg mit sich zu schleppen.
Hilflos mußten die Reiter ihnen nachsehen und blieben stehen.

Neuntes Kapitel
Eine Frage der Zeit

Merry erwachte am Morgen. Er war überrascht, wie nah das Nebelgebirge und der Hohe Paß schon gerückt waren. Sicherlich konnten sie am Abend des Aufstieg beginnen. Ganz aufgeregt war er, denn die Hilfe, die sie nun erhalten hatten, war eigentlich zu schön, um wahr zu sein. Ritter aus Gondor in prächtiger Kleidung und auf schnellen Pferden! Sie waren nun sicherlich fünfzig Mann. Wenn das mal keine überzahl war! Sollten die Orks doch kommen!
überglücklich war er und voller Tatendrang und Hoffnung. Nun konnte er seine Freunde endlich den Fängen der Orks entreißen und zurückbringen ins Auenland, wo sie hingehörten. Wurde ja auch bald mal Zeit!
Alle anderen waren ebenso recht gut gelaunt und unterhielten sich. Sie spekulierten darüber, wann Gwaihir zurückkommen und ihnen berichten würde, wo Kankra sich befand und ob er die Orks noch einmal gesehen hatte. Aber leider brauchte selbst er eine gewisse Zeit, die Strecke zurückzulegen.
Beregond erzählte den beiden Hobbits vom Leben in Gondor. Aragorn gesellte sich zu ihnen und ergänzte die Ausführungen.
"Wir haben natürlich die ganze Stadt umgehend wieder aufgebaut und ihre Brandwunden beseitigt. Mittlerweile sieht man keine Spur mehr vom Ringkrieg. Es war viel Arbeit, aber alle haben mit angefaßt und später auch die, die als genesen aus den Häusern der Heilung entlassen worden sind.
Das ist eine gute überleitung zu Faramir und Éowyn. Faramir bekleidet viele wichtige ämter und nimmt unserem König viel Arbeit damit ab. Die beiden genießen nun als Eheleute natürlich ein sehr hohes Ansehen und sind sehr glücklich. Die Menschen sind stolz, daß eine so tugendhafte und wunderschöne Frau bei uns lebt und uns ihre Aufmerksamkeit schenkt. Sie ist wirklich ein Glück für die Stadt.
Immer noch sind alle tief betroffen über den Verlust unseres letzten Statthalters, Denethor, den Pippin ja sicher noch in Erinnerung hat!"
Pippin nickte. Aragorn fuhr fort: "Das ist wirklich wahr. Aber die Menschen haben mich, obwohl ich jetzt kein Truchseß, sondern der König selbst bin, sofort akzeptiert und dennoch war es schwierig für mich, die Gewöhnung daran zu finden. Viele Jahre bin ich im Exil gewesen, fernab jeglicher Herrschsucht oder ähnlichem, und habe mich dann doch noch dazu entschlossen, den mir irgendwann vorgezeichneten Weg einzuschlagen. Mit Arwen an meiner Seite ist das eine allzu angenehme Aufgabe!"
"Er ist ein sehr gütiger und gerechter König, das muß man wirklich sagen. Die Menschen leben im Wohlstand, jegliche Bedrohungen zählen nicht mehr und es herrscht wieder die richtige Ordnung. Und eines muß ich euch sagen: Euch haben wir nie vergessen, ganz besonders mein Sohn Bergil nicht!" erzählte Beregond.
Merry und Pippin genossen diesen Tag in vollen Zügen. Sie fühlten sich sicher und dachten nicht mit Bedauern an Sam und Frodo, sondern mit Kampfeslust und erinnerten sich ihrer Freundschaft. Sie freuten sich auf die Aufgabe, die beiden zu befreien und zurück nach Beutelsend zu bringen. Außerdem wußten sie genau, daß sie sehr bald schon mit den schnellen Pferden die Orks einholen würden. Am Abend machten sie sich dann tatsächlich bereits an den Aufstieg zum Hohen Paß, wo sie mitten in der Nacht ein ungestümes Schneetreiben überraschte. Gandalf leuchtete dem Gefolge voran und man versuchte stetig, die noch rechtzeitig angezündeten Fackeln im Gange zu halten und die Flammen nicht verlöschen zu lassen. Den Hobbits gab man Decken, damit die beiden kleinen Halblinge nicht in dem Frost Erfrierungen erleiden mußten, und sie waren sehr dankbar für das Ende des Schneesturmes am Morgen in der Dämmerung. Sie waren alle naß und hungrig und legten eine kurze Frühstückspause ein. Sie führten ihre Pferde noch den ganzen restlichen Tag über die Berge. Merry und Pippin waren erleichtert, ebenso Gandalf, daß ihre augenblickliche Paßüberquerung so problemlos verlaufen war. Mit Schrecken erinnerten sie sich an die grauenhaften Ereignisse ihrer überquerung auf dem Weg in den Ringkrieg.
Den folgenden Tag, nach einer wenig geruhsamen Nacht, verbrachten sie mit dem Zurücklegen des letzten Stück Weges auf dem Paß und mit dem Abstieg, über den alle sehr erfreut waren.
In der Nacht, als sie am Fuß des Berges angelangt waren, legten sie sich erschöpft schlafen. Der Schnee war für die Menschen und die Pferde nicht allzu tief gewesen und die Hobbits hatte man drüber weggetragen. Sie waren schnell vorangekommen, denn das erste winterliche Schneetreiben ließ noch immer auf sich warten. Drei Tage hatten sie auf dem kalten, windumspielten Gebirge verbracht und waren nun froh, sich in der Ebene aufwärmen zu können. Sofern man Ende des Jahres, wo der Winter begann, von Aufwärmen sprechen konnte.
Den ganzen Tag über geschah überhaupt nichts bemerkenswertes. Man unterhielt sich über dieses und jenes und die Hobbits berichteten Aragorn von den Geschehnissen im Auenland, das ja auch unter seiner Obhut stand.
Sichtlich aufgewühlt vernahm Aragorn die Erzählung der beiden und den Bericht vom Tode Sarumans. Erfreut zeigte er sich über die Mitteilung, daß inzwischen alles seinen alten Gang wiedergefunden und der Frieden den Weg zurück beschritten hatte.
In aller Ausführlichkeit erzählten sie nun von ihrer bisherigen Jagd und auch den Ereignissen, die sich kurz vor der Entführung zugetragen hatten. So verbrachten sie Stunden, die für Aragorn sehr interessant waren.
Schließlich ergriff er wieder das Wort: "Ich warte ungeduldig auf Nachricht Gwaihirs, des Windfürsten. Noch immer sehen wir keinen Zipfel von den Orks und ich befürchte, daß der Abstand einfach nicht schrumpfen will. Unsere einzige Chance wäre dann das Wissen um Kankras Zuflucht und wir müssen hoffen, daß auch die Elben ihren Weg dorthin gefunden haben. Denn sie dürften besser wissen, wie man mit solchen Scheusalen umgeht!"
Gandalf nickte wissend und sagte: "Es kann nicht mehr lange dauern, bis der Adler eintrifft und ich denke, er wird uns Gutes zu berichten haben. Wir schaffen es auch bestimmt, die Orks rechtzeitig einzuholen. Laßt uns nicht aufgeben!"
So wurde es schließlich Abend und alle legten sich, als es auf Mitternacht zuging, für einige Stunden zur Ruhe.
Noch bevor die Morgendämmerung einsetzte, wurde das Feuer gelöscht, ein kurzes Frühstück eingenommen und weiter ging es. Es würde noch fast einen Tag dauern, bis sie die Alte Furt erreichen würden.
Es dauerte keine zehn Minuten, nachdem die Dämmerung begonnen hatte, daß überraschend Gwaihir sich zeigte. Achtsam landete er neben der wartenden Gruppe und teilte sofort Aragorn, Gandalf und den Hobbits an der Spitze des Zuges mit, was es zu berichten gab.
"Meine Freunde! Ich mußte die Nacht über eine Ruhepause einlegen, aber habe mich noch vor der Dämmerung auf den Weg zu euch gemacht. Endlich habe ich euch gefunden! Die Orks waren wenige Meilen von der Alten Furt entfernt, als ich sie zuletzt sah, mittlerweile haben sie sie bestimmt überschritten. Das habe ich auf meinem Rückweg erkennen können und außerdem, daß es dem kranken Halbling wieder besser zu gehen schien.
Nun, bevor ich sie alle sah, war ich bei den Elben gewesen. Ich hatte gehofft, den Spion bei ihnen anzutreffen, als ich sie in den Bergen des Düsterwaldes in der Nähe der Spinnenzuflucht besuchte. Sie warteten auf den Anstoß zum Aufbruch, denn noch war ja der Kundschafter nicht zurückgekehrt, der ausfindig machen sollte, wo Kankra sich aufhält. Man rechnete jeden Augenblick mit seiner Rückkehr, war bewaffnet bis unter die Zähne und hielt die Reittiere parat. Also habe ich den Düsterwald überflogen und es war mir fast unmöglich, etwas durch die Baumkronen zu erkennen. Aber ich habe die blonden Haare des Elben sehen können und habe mich in eine der Baumkronen gesetzt, um mit ihm zu sprechen. Er kam ein Stück weit zu mir hochgeklettert und beschrieb mir den Weg zu Kankras Höhle. Zum Glück hatte er es nicht mehr weit bis zu den Bergen, wo die anderen auf ihn warteten, und er berichtete mir folgendes, merkt es euch gut: Eine Wegstunde nördlich der Alten Waldstraße befindet sich das Versteck, er schätzte die genaue Position auf eine halbe Wegstunde östlich des Waldanfangs und eben diese eine Stunde nördlich. Er hatte sich einige markante Stellen in der Nähe gemerkt, und zwar waren das ein kleines Rinnsal, das in einen Weiher mündete, wenige Minuten östlich der Höhle. Sie ist unterirdisch und der Eingang liegt versteckt hinter vielen gefallenen Bäumen und großen Felsbrocken. Es ist kaum zu verfehlen, man kann die Spinnen dort förmlich riechen und je näher man der Höhle kommt, umso mehr Netze findet man vor, die immer größer werden.
Ihr werdet es also nicht allzu weit haben, aber ihr müßt euch sehr beeilen! Die Orks sind euch noch fast zwölf Wegstunden voraus, möchte ich behaupten. Die Elben werden aber nicht vor euch ankommen, befürchte ich. Wer hat eine Karte des Geländes?"
Einer aus Aragorns Gefolge griff in eine Tasche und zog eine vergilbte Karte hervor.
"Nun... ihr seid hier, etwa 20 Meilen von der Alten Furt entfernt. Die Orks befinden sich nun nach meiner Schätzung fast auf halber Strecke zwischen Düsterwald und Alter Furt. Die Elben können höchstens fünfzig Meilen von Kankras Zuflucht entfernt sein, näher sind sie bestimmt noch nicht. Nun liegt es an euch, ihr müßt galoppieren, um den Abstand zu verringern! Es könnte sehr knapp werden, denn niemand weiß, wie lange Kankra ihre Opfer am Leben lassen würde. Ich würde es nicht heraufbeschwören. Ihr müßt sie unbedingt retten, bevor sie in ihrer Höhle landen!"
"Das ist ein Wort!" sagte Gandalf und wandte sich an den Adler. "Wir danken dir, sei dir dessen bewußt, denn ohne deine Hilfe wären wir jetzt nicht hier. Ich denke, im Moment kannst du uns nicht helfen. Wir müssen sofort los! Männer, eure Pferde müssen nun zeigen, wie schnell sie wirklich sind! Schnellen Trab, damit das auch auf Dauer noch anhält!"
Es dauerte keine fünf Sekunden und die Pferde sprengten über die Straße davon Richtung Osten und Gwaihir erhob sich auf mächtigen Schwingen in die Lüfte und flog ihnen in den Osten voraus.

Am Abend hatten sie die Alte Furt überschritten. Pippin rechnete eifrig, wie weit die Orks noch von ihnen entfernt sein konnten, aber er kam lange zu keinem Ergebnis. Schließlich fragte er Merry und dieser sagte: "Vielleicht haben wir inzwischen vier Wegstunden wettgemacht... das wäre... Die dürften jetzt noch fünfzehn Meilen vom Wald entfernt sein, um mal etwas festzulegen. Wir sind noch vierzig von ihm entfernt. Und müssen eine Pause einlegen. Also könnten wir sie morgen Nacht eingeholt haben. Das ist realistisch. Gandalf? Was denkst du?"
Gandalf sah Aragorn an und dieser schätze die Vermutung der Hobbits als möglich ein. Die Nachtruhe gestalteten sie so kurz wie möglich, aber so lang wie nötig und forderten dann wieder von ihrem Pferden, was diese schaffen konnten.
Wie der Wind ritten sie bis zum Mittag, gönnten sich und den Pferden dann eine Pause und sahen sich, je näher sie dem Düsterwald kamen, immer aufmerksamer um. Irgendwo mußten die Orks mitsamt Frodo und Sam doch stecken! Keine Spur weit und breit. Den Wind fegte auf einmal stärker über das Land und dichte graue Wolken zogen heran. Das unfreundliche Licht und die Kälte gingen schließlich über in die Abenddämmerung, aber sonst geschah noch immer nichts.
Merry malte sich im Geiste aus, was alles passieren könnte. Er würde hoch erhobenen Schwertes mitten in den Trupp hineinrasen, der tapfere Hobbit, gefolgt von ebenso mutigen Menschen und seinem tapferen Freund Pippin, er würde Sam und Frodo den Orks entreißen und sie von ihren Fesseln befreien, sie in die Arme schließen und alle Orks umbringen.
Das war die Möglichkeit, die ihm am besten gefiel. Innerlich grinste er bei diesem Gedanken, den er selbst nicht ganz ernst nahm, aber er bereitete ihm einige Freude, das mußte er zugeben.
Sie gönnten weder sich noch den Pferden eine Pause. Glücklicherweise hielten die Pferde die Hetzjagd durch, aber man führte sie auch in einem Tempo durch, das für die Tiere auf Dauer nicht zu schnell war.
Längst schon hatten sie die Hügelkuppe hinter sich gelassen, von der aus sich mit einem Schlag der Blick auf den unheimlichen Düsterwald öffnete. Es begann zu dämmern und Aragorn wurde nervös. Er selbst hatte nachgerechnet, wann sie die Orks hätten treffen müssen, und dieser Zeitpunkt war bereits überschritten.
Die Landschaft war, als die Nacht hereinbrach, von einem seltsamen fahlen Licht erhellt, und das war nicht der Mond, denn dieser zeigte sich nur selten, wenn die Wolken kurz aufrissen und ihn einen Blick auf die Jäger werfen ließ.
Es wurde so still um sie herum, daß ihr eigener Atem ihnen laut vorkam und sie befürchten mußten, daß die Orks sie lange bevor sie sie erreichen würden, bereits vernehmen könnten.
Es waren noch höchstens zwei Meilen bis zum Waldanfand und angestrengt starrten sie in die Dunkelheit, nach jeglicher Regung vor ihnen Ausschau haltend.
Die letzte Meile des Weges schließlich ließ die Zweifel wachsen, die Angst und sie fragten sich, wieviel zu spät sie wirklich kommen würden.
Unvermittelt brüllte plötzlich Pippin: "Da vorne, da sind sie! Keine halbe Meile ist es mehr! Beeilt euch, sie sind schon fast im Wald!"
Fast gleichzeitig hatte auch Aragorn sie entdeckt und gab seinem Pferd die Sporen.
Jetzt würde es sich entscheiden. Ihre letzten Energiereserven brachen die Pferde an, die spürten, wie wichtig sie nun für ihre Reiter waren.
Als sie schon fast glaubten, nach den Orks greifen zu können, obwohl sie noch weit genug entfernt waren, bemerkten diese sie plötzlich und rannten los.
Merry brüllte vor Wut und Dunórins Pferd überholte plötzlich alle anderen und eilte der Gruppe voraus. Mit einem Mordsgebrüll näherten sie sich und die Orks kreischten vor Entsetzen.
Plötzlich erblickte Pippin ihre beiden Freunde, wie sie versuchten, sich durch die herumirrenden Orks durchzukämpfen zu ihnen.
"Sam! Sam!!! Ich bin gleich da! Du schaffst es, du schaffst..."
Im gleichen Moment erkannte er, daß Sam und Frodo gepackt und mitgeschleppt wurden.
Es war für keinen der Verfolger schwer, aus dem Orktumult genau die Hilfeschreie der Hobbits herauszuhören, doch diese verstummten plötzlich und der Trupp verschwand im Unterholz.
Es waren keine fünfzig Meter mehr gewesen, doch sie kamen zu spät. Schnell hatte der finstere Wald alle Geräusche des flüchtenden Orkpacks verschlungen und sie stoppten ihre Pferde vor den ersten Bäumen.
Merry kletterte vom Pferd und wollte schon schreiend hinterherrennen, aber Aragorn packte ihn am Kragen und drehte ihn um.
"Merry, das kannst du nicht! Es ist Nacht und allein darf da niemand rein! Wir müssen alle zusammen gehen, und die Pferde hierlassen. Los, macht schnell und bindet sie an! Packt die Waffen und kommt mit!"
Binnen zweier Minuten waren alle soweit und Aragorn griff zur Sicherheit noch einmal nach Narsil, dem neu geschmiedeten Schwert Elendils, das nur darauf zu warten schien, Orks bekämpfen zu dürfen.
"Gandalf, leuchte uns voran!" gebot Aragorn und die beiden bildeten zusammen mit einigen Gefolgsmännern und dicht gefolgt von den Hobbits die Vorhut. Sie schlugen sich ins Dickicht und konnten einen schwachen Pfad ausmachen, erkennbar an zertretenen Pflanzen. Ob das der Weg war, den die Orks genommen hatten, vermochten sie nicht zu sagen.
"Beregond, wer hat die Karte? Schnell, wir brauchen sie!" sagte Aragorn und im nächsten Moment reichte Beregond sie ihm auch schon. Gandalf vermochte annähernd ihre Richtung zu bestimmen und auf der Karte zu finden. Sie hatten den Punkt ausgemacht, an dem Kankras Höhle zu finden sein mußte und änderten ein wenig ihre Marschrichtung, sodaß sie nicht auch noch an der Höhle vorbeilaufen würden.
Es war stockfinster um sie herum und sie konnten nur durch das von Gandalf entflammte Licht einige Meter vorausblicken. Die Bäume schienen sie zu beobachten und Tiere starrten düster auf sie herab. Pippin fürchtete sich. Ansonsten vermochten sie noch nichts außergewöhnliches auszumachen. Kein Rinnsal, kein Weiher und nicht ein einziges Spinnennetz.
Die Hobbits waren rasend, sie regten sich furchtbar darüber auf, daß die Orks ihnen so kurz vorm Düsterwald entwischt waren. Leise fluchte Merry vor sich hin und Pippin schmiegte sich ängstlich an ihn.
Der Düsterwald selbst schien Augen zu haben, nicht nur die Bäume und Tiere. Etwas unheimliches lag in der Luft, das ihnen den Atem nahm. Das hier war schlimmer als der Alte Wald, da waren die Hobbits sich einig, aber sie trugen es mit Fassung.
Niemand sprach ein Wort. Die Vorhut versuchte, den Pfad nicht aus den Augen zu verlieren, den sie gerade wiedergefunden und dabei festgestellt hatten, daß er genau in die Richtung zu laufen schien, in die sie gehen mußten.
Die Zeit drängte immer mehr. Niemand konnte einen anderen Gedanken fassen als: Wir dürfen nicht zu spät kommen, wir müssen uns beeilen.
Doch die Orks waren natürlich viel schneller, weil sie genau wußten, wohin sie rennen mußten.
Plötzlich gab es ein glucksendes Geräusch. Unversehens waren sie doch vom Pfad abgekommen und einer der Männer steckte mit einem Fuß bis über den Knöchel im stinkenden Morast. Der Sumpf hatte etwas bösartiges an sich und er schien jegliches Licht zu ersticken, selbst über ihm. Gandalfs Licht erleuchtete ihn überhaupt nicht. Aragorn, der dem Mann am nächsten stand, half ihm heraus und alle blieben auf Gandalfs Befehl hin stehen. Er selbst entfernte sich ein wenig von ihnen, um den Pfad zu suchen und versuchte, dem Sumpf auszuweichen. Dabei wäre er fast in das erste Spinnennetz gelaufen. Ein dicker Faden klebte ihm am Hut, als er zurückkam, und die Hobbits ekelten sich.
"Ich hab den Pfad entdeckt! Da war auch das erste Netz. Folgt mir, es ist ungefährlich!"
Die Hobbits hatten Herzrasen und Aragorn konnte seine innere Aufruhr kaum verstecken. Er machte sich riesige Sorgen um Sam und Frodo. Die einzige Hoffnung, die ihn daran denken ließ, daß die beiden nicht sofort umgebracht würden, war diese: Die Orks konnten höchstens vermuten, daß ihre Verfolger das Ziel ebenfalls genau kannten. Vielleicht würde Kankra sich nicht im geringsten von ihnen drängen lassen, aber nun war es ja auch nicht mehr ihr Problem, was mit Sam und Frodo geschah.
Und Kankra würde sich nie von ihrer Rache abwenden in irgendeiner Form.
Trotzdem hasteten sie weiter durch die bedrohliche Finsternis, die jedes Geräusch und bald auch alles Licht verschluckte.
Wie konnten selbst die nachtsichtigen Orks sich hier zurechtfinden?
"Gandalf, was passiert, wenn die beiden schon bei Kankra sind?" fragte Pippin leise.
Aragorn warf ihm einen flüchtigen Blick zu.
"Nun, mein Junge, dann muß ich mir etwas überlegen! Dieser Gegner ist auch für einen Zauberer wie mich ein mächtiger Feind. Ich weiß nicht, ob ich etwas gegen sie ausrichten kann, und wir alle zusammen sind vielleicht ebenfalls machtlos. Ich kann es dir nicht sagen, ich hoffe nur, daß wir die Orks vorher noch aufspüren!"
Um nicht jeglichen Mut im Keim zu ersticken, sparte Aragorn sich, seine Einschätzung den anderen mitzuteilen.
Die Orks konnten in jeglicher Dunkelheit mehr sehen als sie mit Gandalfs Licht, und sie kannten den Weg. Während sie noch keine halbe Stunde auf dem Weg waren, noch lange nicht, waren die Orks bestimmt in den nächsten fünfzehn Minuten bereits am Ziel.
Denn obwohl sie sich beeilten, hatte er im Gefühl, daß der Abstand wieder wuchs.
Plötzlich schrie Pippin entsetzt auf.
"Da waren Augen, ganz viele!" rief er panisch und Gandalf hob den Kopf. Tatsächlich, über ihnen in einem Baum saß eine Riesenspinne. Sie war nicht so groß wie Kankra, aber groß genug, ihnen allen Respekt einzuflößen.
Sie warf klebrige Fäden nach ihnen, die die Männer mit den Schwertern zerschlugen, aber davon ließ sie sich nicht beeindrucken. Gemächlich machte sie sich an den Abstieg und ließ durch ihre ständigen Attacken mit den Fäden gar nicht erst den Gedanken an einfaches Weglaufen bei den Menschen aufkommen. Erst mußten die diesen Gegner loswerden!
Pippin schloß verzweifelt die Augen. Sie verloren Zeit, das war nicht gut. Das war, ganz im Gegenteil, schlimm.
Als die Spinne sich schließlich auf dem Boden vor ihnen aufbaute, trat Aragorn ihr mit Narsil in den Händen entgegen und sprach: "Wenn du nicht sofort weichst, werde ich dir dabei helfen!"
"So, wirst du das?" krächzte sie mit ihrer häßlichen Stimme und lachte ihn aus.
Er machte einen weiteren Schritt auf sie zu und sie näherte sich ihm ebenfalls. Das ging so weiter, bis sie sich nah gegenüberstanden, Auge in Auge, uns sie wollte schon Gift auf ihn spucken, doch zuvor hieb er nach einem ihrer schier zahllosen Beine und ein fürchterlicher Schrei zerriß die Luft. Gerade noch rechtzeitig ging Aragorn vor ihrem Angriff in Deckung und holte sofort zu einem zweiten Schlag aus, der ihr tatsächlich sofort den Kopf abhieb. Die meisten wandten sich entsetzt ab, aber kommentarlos steckte Aragorn sein mächtiges Schwert wieder in die Scheide und ging an der toten Spinne vorbei. Sprachlos folgten ihm alle. Fast wäre einer, der weiter hinten in der Gruppe ein Stück neben dem Pfad ging, in ein weiteres Spinnennetz gelaufen, und diese Vorkommnisse häuften sich schließlich. Zuguterletzt ging einer buchstäblich dann doch ins Netz und klebte einfach fest.
"Hilfe! Ich kann mich nicht befreien!" rief er und einige Männer hieben mit ihren Schwertern auf das Netz ein, aber das zeigte sich ergebnislos. Aragorn trat hervor, zog Narsil und mit einem einzigen Schnitt hatte er sofort viele Fäden zerteilt. Es war nur eine Frage von Minuten, bis er den Mann befreit hatte und dieser dankte ihm ergeben, doch der König winkte nur ab. Die Eile machte ihn nervös.
Minuten später vernahmen sie auf einmal das Plätschern von Wasser, während sie sich durch unzählige Netze und Spinnenfäden kämpfen mußten. Der Pfad folgte einem Wasserlauf, einem schmalen Rinnsal und sofort machte sich Aufregung in der Gruppe breit. Leise jubelte Pippin: "Wir haben den richtigen Weg gefunden!" Niemand sagte etwas darauf, denn noch waren sie nicht angelangt, und wie lange würde das noch dauern?
Gandalf plagten riesige Sorgen. Von Elben war weit und breit keine Spur, keine von Orks und auch keine Spinnen mehr. Nichts rührte sich. Er versuchte, in Gedanken nachzurechnen, wie lange sie bereits in diesem unfreundlichen Wald unterwegs waren. Eigentlich hätten sie schon längst auf den Weiher treffen müssen, überlegte er sich schließlich und versuchte, die Richtung zu bestimmen, in die sie gerade liefen. Nach seiner Einschätzung war es Süden.

Er trat an Aragorn heran und sagte: "Wir sind falsch. Wir dürfen dem Wasserlauf nicht weiter folgen, ich fürchte, er ist falsch und der Pfad ist es ebenso! Irgendwo sind wir falsch gegangen und wir laufen in Richtung Süden. Wir müssen zurück!"
Sie machten kurz Halt und versuchten herauszufinden, wohin genau sie nun gehen mußten. Nordwestlich lautete ihre Schlußfolgerung, sie waren inwischen schon viel zu weit gelaufen und hatten einen großen Umweg gemacht, der sie bestimmt eine halbe Stunde kosten würde. Wütend verfluchte Gandalf sich selbst und daß es ihm erst jetzt aufgefallen war.
Die Hobbits wurden unruhig. Immerzu dachten sie an ihre Freunde und waren selbst schon zu dem Ergebnis gekommen, daß diese bestimmt schon an ihrem Ziel angelangt sein mußten. Dann brach Pippin das Schweigen: "Gandalf, kannst du denn nichts tun? Bitte, irgendwie müssen wir den beiden doch helfen können!"
"Nein, nicht von hier aus. Leider bin ich nicht allmächtig! Ich kann mich auch kaum gedulden, aber wir müssen es ertragen. Noch bleibt uns nichts anderes übrig."
Die nächste halbe Stunde wurde sehr lang und quälend für sie, begleitet von Sorgen und ängsten. Zwar wußte kaum jemand, wie man sich Kankra vorzustellen hatte, aber daß es schlimmer werden würde als ihre schlimmste Alpträume, war jedem klar.
Vor lauter Unmut wußte Pippin nicht, wohin mit sich. Es konnte ihm nicht schnell genug gehen, aber diese Finsternis und das dichte Unterholz machten es ihnen unmöglich, schnell genug zu sein für den Hobbit. Doch Gandalf beruhigte alle: Sie waren auf dem richtigen Weg.
überall entdeckten sie Spinnennetze, aber nicht die Unwesen, die sie erschaffen hatten. Die Spinne, die Aragorn besiegt hatte, war bisher die einzige gewesen, die sie entdeckt hatte. Zwar suchten sie aufmerksam um sich herum jeden Winkel des Waldes ab, der sich auftat, aber tatsächlich war außer ihnen nichts dort. Zu groß war der Schrecken für alle Tiere und die Spinnen lebten ein Stück von ihrem augenblicklichen Aufenthaltsort entfernt. Bis auf eine. Sie rückten ihr immer näher.
Nach einigen Minuten stießen sie wiederum auf ein kleines Bächlein und diesmal war die Sache klar, sie folgten ihm ohne Umschweife. Die Minuten zogen sich ewig hin, nichts geschah und alle lauschten dem Plätschern des Wassers. Wenigstens froren sie in diesem Wald nicht.
Alle starrten klar fixiert auf Gandalfs Licht, das ihnen den Weg erleuchtete und übten sich in mühsam aufgebrachter Geduld. Die Zeit schien überhaupt nicht zu verrinnen, sie kam ihnen ewig vor und jeder Schritt machte es ihnen deutlich, daß nichts neues sich ergab.
Dann, völlig unerwartet, hielt Gandalf an und wies mit der Hand auf eine Lichtung. Dort war tatsächlich ein Weiher, und kein kleiner. Fast wären alle in Jubel ausgebrochen, aber sie wollten nichts aufschrecken.
Lange blieben sie stehen, zumindest kam es ihnen lange vor, und in diesen Minuten versuchte Gandalf auszumachen, wo sie hingehen sollten. Weiher, Spinnweben - alles war da, sie mußten einfach am richtigen Platz sein, aber wo sollten sie nun Felsblöcke und umgestürzte Bäume finden? Soviel stand fest: Die Höhle war nicht unmittelbar am Weiher, dem fast stehenden, stinkigen Gewässer.
Gandalf dachte angestrengt nach, was nun zu tun sei. Sie konnten es sich nicht erlauben, sich zu trennen, aber blieben sie zusammen, würden sie viel Zeit verschwenden. Zeit war doch so wertvoll. Wie ausführlich würde Kankra ihre Rache gestalten?
Doch, halt, da erinnerte Aragorn sich.
"Ich weiß es! Gwaihir sagte: wenige Minuten östlich des Weihers, war es nicht so? Wir müssen uns in östliche Richtung begeben! Laßt uns keine Zeit verlieren!"
Sofort reagierten alle, die sich kurz hingesetzt hatten, um sich eine Pause zu gönnen, und sprangen auf. Sie befanden sich noch immer auf einem kleinen Pfad, wenn man das überhaupt als einen solchen bezeichnen konnte und sie verfluchten die Dunkelheit.
Ein Vorschlag Gandalfs, den alle als vernünftig erachteten, war, einen abzweigenden Pfad nach Osten zu suchen und ihm zu folgen.
Sie liefen so weit nördlich am Weiher vorbei, bis er schließlich aufhörte, und sie hatten keinen Pfad gefunden. Desillusioniert rieb Gandalf sich den Kopf und sagte: "Also wieder zurück, wir müssen es auf gut Glück versuchen. Laßt uns ein wenig Richtung Südwesten gehen!"
Also verließen sie den Pfad, angespannt, nervlich strapaziert und höchst konzentriert. Blind folgten sie Gandalf, der auch nicht mehr wußte als sie, und sie fragten sich, ob sie jemals finden würden, was sie suchten, bevor es zu spät war. Es sah schlecht aus. Die Nacht wich nicht, es kamen einfach keine Felsblöcke in Sicht und sie verloren immer mehr die Hoffnung, ihr Ziel nicht zu finden, wo sie doch so kurz davor standen.
Konnte denn kein Zeichen kommen, das ihnen half?
Nichts regte sich, absolut gar nichts. Kein Wind, kein Laut, überhaupt nichts. Nur sie, die kontinuierlich marschierten und nicht aufgeben wollten.
Schließlich, als Gandalf das ungute Gefühl nicht loswurde, daß sie sich zu weit entfernten von der gewünschten Position, ließ er eine Pause machen und setzte sich hin zum Nachdenken.
Nervös rannte Pippin auf und ab und machte Merry damit wahnsinnig.
"Kannst du dich nicht einfach hinsetzen? Von deinem Rumgerenne wird es auch nicht besser!" grummelte er.
"Gut, tu ich das. Da seh ich einen Stein, der scheint mir angemessen als Sitzgelegenheit.
Aragorn schrak aus seinen Gedanken auf.
"Hast du Stein gesagt? Hast du das wirklich gesagt? Ich habe in diesem ganzen verfluchten Wald noch keinen gesehen, das ist ein gutes Zeichen!" rief er überrascht und im gleichen Moment hörten sie einen Schrei, der sie die Todesangst selbst spüren ließ. Die meisten sprangen sogleich auf und wandten sich in die Richtung, aus dem sie den Schrei hatten kommen hören.

Zehntes Kapitel
Kankras Rache

Sam zappelte und versuchte, sich loszureißen, ebenso Frodo. Beide waren sie der Verzweiflung nahe und nun wuchs die Todesangst auf ein bisher ungekanntes Maß an. Sie schnürte Sam die Kehle zu, er atmete schwer und sah nichts vor lauter Tränen und der Dunkelheit, die sie alle umschloß. Es schien ihm , als würde sein Herz manchmal aussetzen und es pochte so stark, daß er fast dachte, es würde im nächsten Moment zerspringen. Er wollte schreien, so gern schreien, aber es gelang ihm nicht. Die Verzweiflung wuchs so stark an, daß er schließlich versuchte, den Knebel abzustreifen, um die anderen um Hilfe zu rufen. Ob sie wohl wußten, wo er war?
Er wand sich in den unnachgiebigen Armen des Orks, der ihn trug, hin und her, aber es war sinnlos. Insgeheim schloß er bereits mit seinem Leben ab, denn er hielt es für sehr unwahrscheinlich, daß die anderen wußten, wohin sie ihnen folgen mußte.
Schließlich wehrte er sich nicht mehr, er wehrte sich auch nicht mehr gegen die Angst. Er wußte, Kankra würde ihm einen langsamen, qualvollen Tod bereiten, gnadenlos und bestimmt. Frodo tat ihm unglaublich leid, denn er hätte doch fliehen können, aber dafür war es nun bestimmt zu spät. Er mußte also ebenfalls sterben.
Vor lauter Panik bekam er keine Luft mehr. Ein dicker Kloß lag ihm im Hals und er verlor fast das Bewußtsein. Es wurde so schlimm, daß nicht einmal mehr der Elbenstein ihm Erleichterung zu verschaffen vermochte. War er überhaupt noch da, fragte Sam sich, denn er spürte gar nichts mehr von ihm.
Mit aller Kraft wehrte er sich gegen den Gedanken an den Tod, er wollte nicht sterben, er würde bis zum Schluß kämpfen und es bereitete ihm jetzt schon endlose Qualen, sich auszumalen, wie schrecklich das werden würde. Der Tod kam immer näher, Sam sträubte sich mit aller Macht dagegen und in einem letzten Schmerz würde es dann zuende sein.
Er verlor sich in entsetzlichen Gedanken und vermochte es nicht, sie wegzuschieben, jetzt nicht mehr. Jetzt war es dafür wirklich einfach zu spät. Mit jedem Schritt verrann seine Zeit.
Der Ork hielt seine Arme fest umklammert, sonst hätte er seinen Knebel einfach so abstreifen können. Das wäre zu schön gewesen. Aber würde es etwas nutzen?
Vorbei an Spinnenweben hetzten die Orks in einem mörderischen Tempo, das kein Verfolger in dieser dicken, undurchdringlichen Finsternis würde mithalten können.
Das Plätschern von Wasser drang an Sams Ohr und nach einer Ewigkeit, die ihm viel zu kurz vorkam, wurden die Orks langsamer und näherten sich einem aufgetürmten Berg umgefallener Bäume, wohinter dicke Felsbrocken lagen und im Boden tat sich ein gähnendes Loch auf, aus dem keinerlei Licht drang, nur ein entsetzlicher Gestank, von dem ihm nicht nur einfach so seine Sinne schwanden.
Er kannte diesen Gestank genau. Angsterfüllt schloß er die Augen und spürte nichts mehr, er hatte einfach jedes Gefühl ausgeschaltet und wurde ganz ruhig, während die Orks einen steilen Gang hinunterhasteten und irgendwann eine Fackel entzündeten. Sam schlug die Augen auf und fand sich in einem engen Gang wieder, seltsam erhellt von der glühenden Fackel. Von diesem Gang zweigten verschiedene finstere Gänge ab, doch dir Orks wußten genau, welchen Weg sie einschlagen mußten. Sie beeilten sich noch immer und zu Sam kehrten die Gedanken an Folter und Tod zurück, die ihn so sehr ängstigten, daß er wünschte, er wäre bereits tot.
Plötzlich hielten die Orks an und setzten die Hobbits ab. Aus der Finsternis drang ein Geräusch und Sam machte sich klein. Frodo neben ihm erging es nicht viel anders. Aber sofort nutzte er in einem Anflug von Geistesgegenwart die Gelegenheit und streifte den Knebel ab.
Schagrat begann zu sprechen: "Herrin, wir haben die Aufgabe erfüllt zu mehr als deiner vollen Zufriedenheit. Sieh, wir haben sogar noch einen zweiten Halbling mitgebracht, der dir ebenfalls bekannt sein müßte!"
Daß das aufgrund eines Irrtums so geschehen war, verschwieg er. Die unheimlichen Geräusche kamen näher und in den Lichtschein der Fackeln begab sie sich nun, die entsetzliche Spinne Kankra. Sie konnte tatsächlich sprechen, denn sie antwortete: "Nun, ich sehe, ihr habt eure Belohnung verdient. Kommt mit, ich habe es geschafft, für euch einen Elben zu fangen. Er wäre bestimmt eine willkommene Mahlzeit!"
Von Panikattacken geplagt, begann Sam, unaufhörlich zu zittern, während Frodo nur stumm und mit geschlossenen Augen an einer Wand lehnte.
In viel zu kurzer Zeit kehrte Kankra dann schließlich nur noch mit Schagrat zurück und dieser schickte die Orks, die Frodo und Sam bewacht hatten, den anderen Orks hinterher.
"Kommt und seht, wen ich mitgebracht habe!"
Schagrat trat mit der Fackel näher und Sam wich immer mehr zurück. Zuerst leuchtete Schagrat Frodo ins Gesicht, der ihn mit angstgeweiteten Augen anstarrte, aber sich nicht rührte.
"Du bist mir als Mahlzeit entgangen, aber man sieht sich wieder!" zischte Kankra und folgte Schagrat schnell in die andere Ecke, ebenfalls weit vom vermeintlichen Ausgang entfernt, wo Sam sich verstecken wollte.
Es gab so viele von dieser Kammer abzweigenden Gänge, das hatte Sam sehen können, und er hatte vergessen, woher sie gekommen waren, sonst wäre er in Panik einfach geflohen.
Schagrat kam näher und näher, gefolgt von Kankra, und sie blickte Sam durch ihre vielen Augen an, von denen tatsächlich eines noch immer blind war und wohl immer bleiben würde.
Sam starrte sie an, blieb stumm, aber die Spinne fauchte ihn an.
"Mein Peiniger in meiner Gewalt! Das gefällt mir gut. Ich werde ein Netz für dich spinnen und dich da erst einmal drin aufhängen. Was hälst du davon?" Zitternd starrte Sam sie noch immer an, tat aber nichts. Er war vor Todesangst wie gelähmt.
Sie waren am Ende ihrer Reise angekommen. Jede Hoffnung hatte er verloren, nichts war mehr da, kein Fünkchen. Er wollte sich nun einfach nur noch seinem Schicksal ergeben.
Es dauerte nicht lange, da kehrte Kankra zurück in den Lichtschein. Sie hatte den einzigen Ausgang mit einem Netz verschlossen, was Frodo zu seinem Entsetzen bemerkte, denn er hatte gerade den Beschluß gefaßt, dort hindurch fliehen zu wollen. So wußte er, daß es der richtige Weg gewesen wäre.
In einer anderen öffnung hatte die Spinne ein weiteres Netz gesponnen und befahl Schagrat, Sam dorthin zu tragen. Wehrlos ließ Sam es mit sich machen, er hatte nun endgültig aufgegeben. Mit einigen zusätzlichen Fäden sponn Kankra ihn daran fest. Er hatte ihre ganze Aufmerksamkeit inne und Kankra ließ Schagrat nun zu den anderen gehen.
Für Frodo bestand keine Möglichkeit, zu fliehen. Er ließ sich in einer Ecke zu Boden sinken und hörte Sam leise wimmern. Das ertrug er nicht und er wollte sich die Ohren zuhalten. Dabei wurde er seines Knebels gewahr, der ihm die Luft ein wenig abschnürte und er riß ihn herunter. Ganz klein machte er sich, kauerte sich zusammen und rührte sich nicht. Er wartete.
Kankra indessen war in der Finsternis voll und ganz mit ihren Racheplänen beschäftigt. Sam hing reglos im Netz undwartete ebenso, genau wie Frodo. Auf sein Ende wartete er.
Noch konnte Kankra sich nicht entscheiden, was sie nun tun wollte.
Leise begann Sam zu murmeln.

A Elbereth Gilthoniel o menel palan-diriel le nallon sí di n´guruthos a tiro nin, Fanuilos!

Er hatte gehofft, Kankra damit abzuschrecken, aber sie zeigte sich davon unbeeindruckt, denn sie reagierte gar nicht. Frodo hingegen sehr wohl. Die elbische Bitte hatte ihn aus seiner Angst gerissen, aus seiner Lethargie und der abwartenden Haltung und er tat nun das, was Sam gerade noch gemurmelt hatte: Er schrie unter Todesangst, er schrie, daß Kankra vor Schreck zusammenzuckte und aus dem hinteren Teil der Höhle Geflüster drang. Er schrie, wie er noch nie in seinem Leben geschrien hatte, all seine Angst und Verzweiflung lag in diesem Schrei, ausgelöst durch die Finsternis und Sams Flehen.
Vielleicht sollte es ein letzter Versuch sein, die Hoffnung wiederzubeleben, doch es kam keine Antwort.
Teilnahmslos sank er wieder in sich zusammen, während Kankra sich immer noch nicht um ihn, sondern nur um Sam scherte. Frodos Schrei hatte sie auf die Idee gebracht: Sie spritzte ihm durch ihren Stachel Gift in die Schulter und Sam wurde davon schlagartig benommen, aber war noch immer bei vollem Bewußtsein.
Darauf kam es Kankra auch an.
Die Minuten zogen sich endlos hin und Frodo zitterte nun in der Ecke kauernd, während er geduldig auf sein Ende wartete, denn etwas anderes war ihm nun nicht mehr geblieben. Zuerst war es nur die Erinnerung daran, aber dann wuchs der Schmerz erneut, den Kankra ihm damals zugefügt hatte, und er litt Höllenqualen. Er wand sich hilflos vor Schmerzen und konnte nichts tun.
Sam jedoch spürte plötzlich, wie enorme Wärme von Frodos Elbenstein ausging und er begann zu leuchten, der Stein, den er unter seinem Hemd umhängen hatte. Kankra schrak zurück und warf einen Faden darüber, der das Licht ein wenig einzudämmen vermochte.
Auf einmal vernahm Frodo Schritte, viele schnelle Schritte, die sich näherten und aufmerksam horchte er auf. Durch das Netz, das den Ausgang versperrte, drang von fern ein Licht, das immer heller wurde und er hörte Stimmen, zuerst leise, dann deutlicher.
Kankra schrak zusammen und ließ von Sam ab.
Frodo wandte seinen Blick zum Ausgang und er sah dort Aragorn stehen, den guten alten Streicher, und er fuhr hoch. Blitzschnell lief er zu diesem Netz und Aragorn streckte durch das Netz seine Arme nach ihm aus.
"Frodo! Schnell, lauf, wir werden dich retten! Wo ist Sam?" fragte er und Frodo klammerte sich gedankenlos mit gefesselten Händen an seinen Armen fest.
"Sie hat ihn, da drüben ist her. Komm schnell!" stammelte Frodo und Aragorn bat ihn, zurückzutreten. Er zog Narsil und hieb kraftvoll auf das Netz ein, das ihm sofort den Weg freigab und hinter ihm folgten Gandalf und viele Männer aus Gondor, alle mit hoch erhobenen Waffen in den Händen und bereit, anzugreifen.
Natürlich ließ Kankra nicht lange auf sich warten. Während Frodo sich einfach nur an Aragorn klammerte wie an einen Strohhalm, sorgte Gandalf für mehr Licht, das Kankra zuerst nicht herankommen ließ. Doch dann wagte sie einen Hechtsprung und versuchte, die Eindringlinge mit Fäden zu treffen, was ihr nicht gelang. Wie in Trance erlebte Frodo im Schutze Aragorns den Kampf mit. Die Spinne konzentrierte sich auf Aragorn, der sich ihr ohne nachzudenken mit Narsil entgegenstellte und sie oft traf. Giftiger Speichel troff aus ihrem Maul, Aragorn stach ihr Augen aus und verletzte sie sonst nur geringfügig, doch plötzlich holte er zum entscheidenden Schlag aus und hieb ihr problemlos den Kopf ab.
Im gleichen Augenblick ließen Frodos Schmerzen nach, er ließ Aragorn los und sank zu Boden.
Gandalf und Aragorn liefen zu Sam, den sie schnell in der Dunkelheit ausmachen konnten und befreiten ihn im Handumdrehen. Laut schluchzend fiel Sam Aragorn in die Arme, erlöst von seiner Angst und er war endlich frei. Alle Männer sahen bewegt zu, wie Sam sich an Aragorn festkrallte und nun trat Merry hervor, der zu Frodo ging und ihm aufhalf, bevor er seine Fesseln zerschnitt.
Pippin folgte ihm zusammen mit vielen Elben und die ganze finstere Kammer war bald voll von Menschen, Elben und Hobbits.
Sam rannte zu Frodo und schloß ihn weinend in die Arme.
Ihr Martyrium hatte endlich ein Ende gefunden. überglücklich umarmten sich die Hobbits alle nacheinander und Aragorn lächelte erleichtert.

Sam fand zuerst seine Fassung wieder und sagte: "Dort hinten sind die Orks verschwunden, sie wollten zu einem gefangenen Elben. Vielleicht lebt er noch!"
Sofort huschten die Elben lautlos in die ihnen gewiesene Richtung mit erhobenen Schwertern und die Hälfte der Menschen folgte ihnen, die andere blieb bei Gandalf, Aragorn und den Hobbits.
Frodo und Sam weinten vor Glück, sie ließen einander gar nicht mehr los und im hellen Lichtschein neben der Leiche Kankras lächelte nun auch Gandalf.
Sie hatten es geschafft, die Freunde waren vor dem Tode gerettet worden.
Aus dem Gang, in dem Menschen und Elben verschwunden waren, drang Geschrei und Waffengeklirr, das bald verstummte und kurz darauf kamen alle zurück mit dem geretteten Elben, der sich in einem denkbar schlechten Zustand befand, aber ansonsten gesund war.
Die Orks waren tot, das war keine Frage, und so schnell sie konnten, traten alle den Rückzug an, so schnell sie konnten, denn auch ohne ein böses Wesen um sich herum fühlten sie sich dort furchtbar unwohl.
Sie eilten den bergauf führenden Gang hinauf und erst, als sie draußen standen und wieder klare Luft atmen konnten, setzten sich alle erschöpft nieder und die Elben schlossen ein weiteres Mal ihren Freund in die Arme, den sie gerade noch rechtzeitig vor den Orks gerettet hatten. Diese bestialischen Teufel wollten ihn töten und er sollte als Mahl für sie enden, aber die Elben, die in der überzahl waren zusammen mit den Menschen, töteten die Orks nacheinander, die nicht weichen wollten.
Sam und Frodo konnten ihr Glück noch immer nicht begreifen. Aufgeregt fragten ihre Freunde Pippin und Merry sie, ob es ihnen gut ginge oder ob ihnen etwas fehlte, aber sie waren mit ihrer wiedergewonnenen Freiheit fürs Erste zufrieden.
Zu ihrer überraschung trat aus der Mitte der Elben Legolas hervor und kniete sich vor den Hobbits nieder, um ihnen auf einer Höhe in die Augen zu sehen.
"Es freut mich sehr, euch alle wiederzusehen, wenn auch unter solchen Umständen. Sobald wir in unseren Hallen Nachricht von Gwaihir bekamen, daß unsere Hilfe dringend gebraucht würde und ich erfuhr, in welcher Angelegenheit, mobilisierte ich sofort alle, die nun auch hier sind. Wie hätte ich es zulassen können, daß euch etwas zustößt?"
Er machte Anstalten, sich zwischen Frodo und Sam in die Mitte setzen zu wollen, und die vier machten ihm Platz. Um die beiden Hobbits legte er seine Arme und sah sie nacheinander an.
"Ich sehe, ihr seid wohlbehalten wieder dort herausgekommen, wenn auch in letzter Sekunde. Nun, wir alle sind dem Flußlauf in die Richtung der Berge des Düsterwaldes gefolgt und schlugen dort ein Lager auf. Uns war bekannt, daß südwestlich nahe der Alten Waldstraße die Spinnen hausten und hatten auch von Kankras Anwesenheit erfahren, nur mußten wir noch ihr Versteck finden.
Für das Sinnvollste hielten wir es, einige Kundschafter auszusenden, denn alle zusammen hätten wir nur für Unruhe gesorgt. Die Spinnen sind wachsam.
Also warteten wir und nacheinander kehrten die Kundschafter zurück, ohne etwas gefunden zu haben. Nur zwei fehlten noch, von denen einer kurz darauf zurückkehrte und uns berichtete, Kankras Höhle gefunden und sein Wissen schon dem Windfürsten mitgeteilt zu haben. Doch es fehlte noch immer derjenige, den wir gerade befreit haben, unser lieber Celeríon.
Was bin ich glücklich, daß wir es zuguterletzt doch noch geschafft haben!"
Die Erleichterung war bei allen spürbar, sie stillten ihren Hunger und unterhielten sich. Die Morgendämmerung nahte und Legolas ergriff wieder das Wort.
"Mir und allen anderen war es immer so, als würden wir euer Leid genau spüren und als ihr euch dem Wald genähert habt, wurde es immer stärker. Sagt, habt ihr etwas Elbisches an euch? Das würde es erklären!" Sam lächelte und griff nach dem Elbenstein.
"Den hat Frodo von Arwen doch damals geschenkt bekommen. Er hat ihn mir geliehen. Jetzt gebe ich ihn dir zurück!" sagte Sam und Frodo stand auf, trat zu seinem Freund und schloß ihn in die Arme. Legolas freute sich sehr und nun traten Aragorn und Gandalf zu ihnen.
Die Hobbits sahen die beiden an und Frodo sagte: "Ich hatte jegliche Hoffnung bereits aufgegeben. Nicht daran hatte ich gezweifelt, daß ihr uns zu finden versucht, ich hatte nur nicht mehr gerechnet, daß ihr es rechtzeitig schafft. Mit allem hatte ich abgeschlossen und versuchte, die Tatsache zu ignorieren, daß Kankra Sam töten wollte, als ich in der Finsternis saß und wartete. Ich war so verzweifelt gewesen, als ihr es nicht bis an uns heran geschafft habt!"
Aragorn nickte und Sam sagte dann: "Ich hatte mich totgeglaubt. Ich kann euch nicht sagen, wie sehr die Angst mich gequält hat! Danke, daß ihr uns nicht allein gelassen habt."
"Aber mein Junge", schaltete Gandalf sich ein, "wie kannst du sowas nur denken? Wir haben alles versucht, was in unserer Macht stand. Der Windfürst hat uns geholfen, die Elben haben sich auf den Weg gemacht und durch Zufall trafen wir in Bruchtal auf Aragorn und seine Leute, die nicht zögerten, uns zu folgen auf dem Weg hinter den Orks her, die euch verschleppt hatten. Es verschafft mir riesige Erleichterung, euch gesund und wohlbehalten hier sitzen zu sehen! Sam, magst du mir einige Fragen beantworten?"
"Natürlich, alles, was du willst, aber hat jemand etwas zu essen?"
Frodo nickte zustimmend und sofort reichte man den beiden Brot und Früchte, alles, was sie begehrten, und sie fielen ausgehungert darüber her, konnte man fast sagen.
"Sam, was ist denn geschehen, daß ich dieses hier gefunden habe?" fragte Gandalf und hielt die Leinenfetzen hoch, die Sam um die Fersen gewickelt hatte.
"Nun," begann Sam, glücklich schmausend, "ich habe mit den Orks einige Scherereien gehabt und diese brutalen Monster haben sich dann einfallen lassen, mich eine zeitlang über den Boden zu schleifen. Sieh nur, meine Hose ist dabei nicht ganz geblieben und", er drehte die Beine, "das ist dann passiert."
Entsetzt blickten alle auf die großen Wunden, die zwar inzwischen heilten, aber noch immer schrecklich aussahen.
"Und meine Fersen waren auch wund, wie ihr sehen könnt. Frodo hat sich um mich gekümmert, das war unglaublich, er hat Königskraut und Leinen besorgt und alles dafür getan, daß ich weitergehen konnte. Konnte ich es dann doch einmal nicht, hat er mich getragen über weite Strecken. Ich weiß nicht, wie du das gemacht hast!"
Er schaute Frodo an und dieser murmelte verlegen: "Das weiß ich auch nicht. Der Elbenstein vielleicht, etwas anderes fällt mir auch nicht ein. Aber was hätte ich tun sollen? Es war so furchtbar, wie Sam gelitten hat, und dann wurde er nach diesem schlimmen Regen auch noch krank und war der völligen Erschöpfung nahe, doch dann habe ich ihm meinen Elbenstein gegeben und er wurde wieder gesund. Nichts war so schlimm für mich wie die Angst um Sam!"
Sie berichteten abwechselnd erstaunlich gefaßt von ihren Erlebnissen und alle verstummten, geschockt von den schrecklichen Ausführungen. Die Menschen erkannten, wie widerstandsfähig diese kleinen Halblinge tatsächlich waren.
Bis kurz vor Mittag saßen alle einfach nur da und unterhielten sich. Aller Druck fiel von ihnen ab und irgendwann griff Merry an seinen Gürtel, an dem er Stich in seiner Scheide befestigt hatte und löste ihn, um ihn Sam zurückzugeben.
"Das habe ich aus dem Hügelgrab mitgenommen und ich muß dir auch sagen, daß es Lutz in Bruchtal ganz bestimmt sehr gut geht. Ich habe mich darum gekümmert. Du glaubst nicht, wie froh ich bin, euch beide hier sitzen zu sehen!"
Mitgenommen sahen sie zwar aus, Sam mit seiner zerrissenen Hose, Frodo mit dem blutigen Hemd, beide mit zerwühlten Haaren und Dreck im Gesicht, auf den Armen und der Kleidung. Aber sie waren gesund und am Leben, dafür waren Gandalf, Aragorn, die Hobbits und alle anderen dankbar.
Schließlich machten sie sich auf den Rückweg zu ihren Pferden und die Elben begleiteten sie noch bis dort. Allerdings folgte dann doch der unvermeidliche Abschied und Legolas versprach, die Hobbits irgendwann im Auenland zu besuchen. Nun brachen die Menschen mit den Hobbits wieder auf und machten sich auf den Rückweg nach Bruchtal im Westen. Gandalf nahm Frodo mit auf Schattenfell und Aragorns Pferd trug außer ihm noch Sam. Merry und Pippin ritten wieder bei Beregond und Dunórin mit.
Bis der Abend hereinbrach ritten sie, dann schlugen sie den beiden geretteten Hobbits zuliebe ein Lager auf und verbrachten dort die gesamte Nacht. Auf dem Ritt hatten sie sich untereinander noch viel unterhalten, doch die Erschöpfung war bei Frodo und Sam nicht mehr zu übersehen und man bettete sie neben das Lagerfeuer, wo sie sogleich einschliefen. Merry und Pippin wachten über sie und Aragorn verschwand in der Dunkelheit, um Königskraut zu suchen, das die Hobbits zur Stärkung gut gebrauchen könnten.
Schließlich legten sie sich alle zur Ruhe bis auf einige Wachen, als der König mit einigen Blättern zurückkehrte und schliefen tief und fest bis zum nächsten Morgen.

Sam erwachte vom wohltuenden Geruch des Königskrautes, das Aragorn gerade in heißes Wasser gelegt hatte, um einen stärkenden Trank zu bereiten. Die Morgendämmerung war längst vorbei und er fand sich unter einer Decke wieder, die ihn warm gehalten hatte. Frodo schlief noch tief und fest und Sam gesellte sich zu Aragorn. Die beiden waren einige der wenigen, die bereits erwacht waren.
"Sam! Was für eine überraschung, dich schon auf den Beinen zu sehen! Sag, wie geht es dir?" fragte Aragorn und sah ihn direkt aus seinen gütigen Augen an, die noch immer ganz die Augen des guten alten Streichers waren, wie Sam fand.
"Ich kann nicht klagen. Ich fühle mich gut, zwar noch erschöpft, aber glücklich. Was machst du? Du hast da etwas von der athelas-Pflanze, richtig?"
"Das ist für euch beide und ich habe bereits einige Blätter zerstampft für deine Wunden, damit sie schneller heilen. Dreh dich mal auf den Bauch!"
Sam lag auf dem Gras und schaute in die schlafende Runde. Die meisten der Lagefeuer waren inzwischen erloschen und er genoß, wie Aragorns Hände die zerriebenen Blätter auf seine Wunden auftrugen. Es war ihm, als würde er die heilende Wirkung sofort spüren.
"Das sieht wirklich schlimm aus. Du bist also vorlaut gewesen und das war die Strafe? Wie ich Orks doch hasse, daß sie jemandem so etwas antun können! Aber so sind sie nun mal. Aber ich bin froh, daß nun das böseste aller noch existierenden Wesen endlich aus Mittelerde verschwunden ist! Kankra wird sich nie an dir rächen können, wir haben es vereitelt."
Sam blieb stumm. Er wußte nicht, was er sagen sollte. Aragorn fuhr schließlich fort: "Eure Freunde haben uns erzählt, daß du ein fleißiger Gärtner geworden bist! Das freut mich sehr, mußt du wissen, nach allem, was Saruman auch im Auenland angerichtet hat. Es war für mich eine angenehme überraschung, zu erfahren, daß du im neu hergerichteten Auenland eine Familie gegründet hast! Die beiden warten bestimmt schon ungeduldig, aber es ist noch ein weiter Weg, der uns diesmal mehr Zeit kosten wird, denn wir müssen uns ja nicht so sehr beeilen. So, jetzt kannst du dich wieder herumdrehen, aber vorsichtig!"
Also setzte Sam sich hin und winkelte die Beine an. Die Wirkung der Pflanze war wirklich überaus angenehm. Es stimmte also tatsächlich: Die Hände eines Königs sind die Hände eines Heilers, das hatten die Menschen damals wohl gesagt, und es war tatsächlich noch wohltuender als bei Frodo.
Dieser schlief noch immer selig und fest und Sam war überglücklich, jetzt bei Aragorn im Sonnenschein zu sitzen, zwar mitten im kalten Vorjul (Dezember), aber auch das ließ sich aushalten.
Er legte sich hin und sein Blick verlor sich im klarblauen Winterhimmel. Völlig entspannt träumte er vor sich hin und ein Gedanke machte ihn glücklich.
Kankras Rache war auf ewig mißlungen. Nun konnte er zurückkehren zu seiner Familie und immer in Frieden im Auenland leben.

Elftes Kapitel
Die Rueckkehr

Nach drei Tagen überquerten sie die Alte Furt. Nun ließen sie sich mit ihrer Reise viel Zeit, obwohl der Winter drängte und sie befürchteten, den Caradhras nun verschneit vorzufinden, aber darauf mußten sie es ankommen lassen. Einige weitere Tage später erreichten sie dann schließlich das Nebelgebirge und machten sich an den Aufstieg zum Hohen Paß. Tatsächlich war es so, wie sie befürchtet hatten: Er war hoch verschneit und sie brauchten lange, um voranzukommen. Einige Male mußten sie in der Eiseskälte übernachten und Gandalf mußte bei dem feuchten Holz nachhelfen, um es zu entflammen.
Sam wurde von Aragorn getragen, der außerdem noch sein Pferd führte. Ebenso nahmen sich die anderen Menschen und Gandalf der in ihrer Obhut befindlichen Hobbits an, welche nur unter größten Schwierigkeiten allein hätten vorankommen können.
Nach anstrengenden Stunden konnten sie die Berge endlich wieder verlassen und waren alle sehr erleichtert. Zwar war das Wetter zum Glück nicht schlecht gewesen, doch die schon vorhandenen Schneemassen reichten, um sie lange aufzuhalten.
Aragorn ließ sich in aller Ausführlichkeit über die vielfältigen Geschehnisse im Auenland unterrichten, die die vier Hobbits beschäftigten und erfuhr noch einiges über den Kampf gegen Saruman und seine Schergen. Außerdem erzählte er dann selbst vom Leben in Gondor und es wurden sehr unterhaltsame Stunden, über die sie schließlich Bruchtal erreichten und dort heißhungrig und frierend einkehrten.
Arwen erwartete sie und war überglücklich, Sam und Frodo unversehrt zu sehen. Sogleich betrachtete sie Frodo aufmerksam und den Elbenstein.
"Ich hoffe, er hat dir Kraft geschenkt in dunklen Stunden!" sagte sie sanft und Frodo nickte.
"Sam hat ihm einiges zu verdanken", sagte er dann und sie alle traten ins Haus, wo es unmittelbar nach ihrer Ankunft ein großes Essen gab. Nachdem sie es beendet hatten, verschwanden sogleich die Hobbits und legten sich schlafen. Die Menschen taten es ihnen bald gleich.
Nur Aragorn und Gandalf saßen noch lange beisammen und redeten über wichtige Dinge.
"War Kankra die letzte noch existierende Instanz des Bösen in Mittelerde? Um die Orks einmal nicht mit einzubeziehen, ich rede nur von etwas Bösem in Kankras Größenordnung, denn sie ist ja nun um einiges schlimmer als jede Horde Orks gewesen!"
Nach langem nachdenklichem Zögern antwortete Gandalf: "Nun, genau da liegt das Problem. Vielleicht weißt du, daß es einen Ursprung des Bösen gibt. Morgoth heißt er und wurde ausgestoßen aus unseren Sphären, in die finstere Leere jenseits von Arda, wo wir leben, von den mächtigen Valar. Das sind nun alles Namen, die dir nicht viel sagen werden und dir vielleicht dadurch einen Eindruck der Größenordnung vermitteln, in der sich das abspielt.
Morgoth war nicht immer schlecht und hieß zuerst auch Melkor. Doch er wurde machtgierig und wollte alles unterwerfen, was ihm in gewisser Hinsicht auch gelang. Er säte Böses auf Arda, das es vorher nicht gab, aber nun immer in irgendeiner Form geben wird. Er verbündete sich mit einer Riesenspinne namens Ungolianth, von der Kankra in direkter Linie abstammt, doch Ungolianth war schlimmer als Kankra es je hätte sein können, und genauso sind Kankras Nachkommen weniger gefährlich als sie.
Nun, das alles spielte sich vor einigen Zeitaltern ab und so wurde das Böse in die Welt eingebracht. Melkor bzw. Morgoth setzte Sauron als seinen Stellvertreter ein.
Streichen wir also Morgoth weg, der bis in alle Ewigkeit verbannt ist und bewacht wird. Von ihm wird kaum noch etwas ausgehen, doch was vor seiner Verbannung entstand, existiert noch und wird immer existieren, wenn auch in anderer Form. Bösartigkeit jeder Form.
Gut, also Morgoth zählt nicht mehr und Sauron ist vernichtet, Ungolianth ist längst verschwunden und auch Kankra ist nun tot. Bleiben nur die Orks und die anderen Spinnen, Wölfe und andere Wesen in unserer Größenordnung, mit denen wir es aufnehmen können.
Ansonsten sind da nur noch die Balrogs und einige andere Dämonen, die zwar gefährlich sind, aber sich nie zeigen, wenn man sie nicht dazu herausfordert.
Man kann also sagen, daß tatsächlich nur noch Böses existiert, daß mehr als Kankra in unserer Größenordnung liegt, denn sie war eigentlich zuviel für uns. Aber was jetzt noch übrig ist, kann kontrolliert werden und man kann von einem dauerhaften Frieden in Mittelerde ausgehen, um nun wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzukehren."
Gespannt hatte Aragorn Gandalfs Ausführungen gelauscht und nickte nun.
"Das war schwierig zu verstehen, aber ich habe begriffen, was du meinst, denn du hast meine Frage klar beantwortet. Ich hatte mich gefragt, ob vielleicht noch ein zweiter Sauron existieren könnte, aber da dem nicht so ist..."
"Das elementar Böse, das über alle Maßen gefährlich ist, ist hier nicht mehr existent. Das ist doch eine beruhigende Erkenntnis, was? Du wirst eine ruhige Amtszeit als König verleben, verglichen mit dem, was wir erlebt haben."
Arwen hatte den beiden vom Türrahmen aus aufmerksam zugehört, das bemerkten sie erst jetzt.
"Es ist gut, zu wissen, daß du Recht hast, Gandalf", sagte sie. "Es ist gut, daß die Halblinge sich nun nie mehr um Dinge kümmern müssen, die sie kaum bewältigen können, und doch ist es unglaublich, was sie zu leisten imstande sind. Doch ich denke nicht, daß sie die Tragweite dessen auch nur ansatzweise begriffen haben, worüber ihr euch unterhalten habt. Außer... ja, vielleicht außer Frodo, er ist sehr weitblickend. Sein Onkel war es ebenfalls. Der gute Samweis hat vielleicht auch eine Ahnung, welche Geschicke in Mittelerde maßgeblich sind, aber es ist gut, daß sie sich damit nicht allzu sehr belasten müssen. Für sie ist es gut, wenn sie nun in Frieden in ihre Heimat zurückkehren können und dort ihr Leben leben. Ein glückliches Volk sind sie, das muß man sagen." Aragorn nickte.
"Welches Wissen über die Zeitalter verbirgt sich in dir, meine Liebste? Du weißt so vieles!"
Arwen setzte sich zu ihnen und stumm blickten sie in den sternenklaren Himmel und bekamen eine leichte Vorstellung dessen, was die wenigsten tatsächlich wußten. Doch die elementaren Mächte waren tatsächlich jenseits ihrer Erlebniswelt und für ihr Leben von keiner Bedeutung, deshalb dachten sie nicht weiter darüber nach. Ebenso hielten es die Hobbits: Sie schliefen tief und fest und ungestört.

Noch einen weiteren erholsamen Tag verlebten alle zusammen in Bruchtal und Sam besuchte sofort seinen treuen Lutz im Stall. Als sie am folgenden Tag dann Richtung Auenland aufbrachen, nahm man die Ponys einfach so mit, ohne ihnen Lasten aufzubürden, denn sonst würden sie die schnelleren Pferde nur aufhalten, von denen dann einige als Lasttiere dienten.
Ein seltsam anmutender Zug von Reitern verließ am Morgen Bruchtal: ein König, gefolgt von einem Zauberer und zwei Menschen, alle vier mit einem Halbling vor sich auf dem Pferd, außerdem eine Elbin und ein großes Gefolge von Menschen.
Für Gandalf war es gut, erfahren zu haben, daß Aragorn sich schnell an sein Dasein als König gewöhnt hatte und endlich den Platz gefunden hatte, an den er gehörte. An Arwens Seite mußte das mehr als angenehm sein. Sam freute sich sichtlich darauf, zu seiner Familie zurückzukehren und Frodo ebenso. Bei beiden wuchs die Vorfreude auf Beutelsend. Auch Merry und Pippin wußten genau, wo ihr Zuhause war.
Und er selbst? Er fühlte sich dem Auenland aus einem ihm unbekannten Grunde tief verbunden und er wollte die Suche nach einem Haus für sich umgehend fortsetzen, sobald sie in Hobbingen anlangten.
Was er nie für möglich gehalten hatte, sah er vor sich: Sam hatte die Todesangst erfolgreich und sehr schnell überwunden, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil sein Todfeind ihm nicht mehr gefährlich werden konnte. Ebenso war Frodo befreit und, was sich erst später herausstellen würde: Er spürte nie mehr Schmerzen am Jahrestag der Verwundung durch Kankra. Ebenso ließen mit der Zeit die Schmerzen am Jahrestag der Konfrontation mit den Nazgûl nach.
Er würde seinen Frieden finden, der Ringträger, seinen wohlverdienten Frieden. Fast hätte er deswegen Mittelerde verlassen, das ging Gandalf die ganze Zeit im Kopf herum, wie Frodo auf diese Idee hatte kommen können. Natürlich lag es bei einem Hobbit wie ihm nicht allzu fern, daß er an so etwas hatte denken können, doch für Gandalf stand fest, daß Frodos Heim im Auenland und nirgendwo sonst lag. Frodo war nicht Bilbo. Diesem würde es auf seine alten Tage im fernen Westen besser gehen als unter Hobbits.
Gandalf war es zufrieden. Die Tage verstrichen ruhig, nur gestört durch Frost und schlechtes Wetter, doch als sie erst einmal die Letzte Brücke passiert hatten, besserte sich auch das vorübergehend.
Tage und Nächte verstrichen voll vergnüglichem Beisammensein, denn die Hobbits kosteten Aragorns Anwesenheit voll aus. Sie hatten ihn liebgewonnen, als er mit ihnen als Streicher durch die Lande gezogen war, die sie auch jetzt durchquerten. Er war ihnen ein wertvoller Freund geworden und auch wenn sein Auftreten als König Elessar, wie er gemeinhin genannt wurde, anders war, so war er für sie immer der gute alte Freund, der nicht schlechter und nicht besser war als sie selbst.
So wunderte es niemanden, als Aragorn scherzhaft darum bat, man möge ihm einen abgetragenen Umhang reichen, den er über seine ansehnliche Königsrobe zog und diese darunter dann vollständig versteckte. Außerdem gehörte dazu ein wenig Wasser in die Haare, um sie strähnig zu machen, und schon sahen die Hobbits Streicher vor sich, wie sie ihn damals kennengelernt hatten.
Vergnügt grinste Aragorn. Er wollte sich mit den Einwohnern Brees einen Scherz erlauben. Sie würden nie glauben, daß ihr Streicher König in Gondor war, unter dessen Schutz sie standen, wenn sie es nicht selbst sehen würden. Und ob sie den König als Streicher identifizieren könnten ohne Hilfe, schien sehr fragwürdig. Frodo bat darum, mitgehen zu dürfen, und das tat er dann schließlich auch.

Sie durchschritten das Stadttor und niemand kümmerte sich um sie. Das allein bereitete Aragorn schon einen Riesenspaß. Für Frodo war das eine bisher an ihm ungekannte Seite. Schien er nun als König den Humor entdeckt zu haben? Eine Entwicklung, die zu begrüßen war.
Sie beobachteten aufmerksam jeden, der ihren Weg kreuzte, aber nichts geschah. Also kehrten sie bald im Gasthaus ein, um Butterblüm zu überraschen. Denn der würde vielleicht den vermißten Herrn Unterberg wiedererkennen, und plötzlich dachte Aragorn sich den passenden Plan dazu aus. Er würde erzählen, daß er als König Gondors den entführten Halbling gerettet hätte.
Frodo konnte sich das Grinsen gerade noch verkneifen, als sie die Gaststube betraten, an diesem Tag mit frostigen Temperaturen gut besucht. Sie gesellten sich zum Ausschank dazu und Frodo wartete, daß Butterblüm reagierte. Es dauerte eine Weile, in der der Wirt ihn immer wieder aufmerksam betrachtete, und schließlich fragte er Frodo dann nach seinem Namen
"Beutlin heiße ich, für einige hier auch Unterberg", antwortete er todernst und Butterblüm erschrak.
"Na wenn das nicht der vermißte Hobbit ist! Sag, wo ist denn der Herr Gamdschie? Lebt der auch noch?"
"Ja, natürlich, der kommt nach." Das stimmte sogar. "Nun, habt ihr einen Augenblick, um einer kuriosen Geschichte zu lauschen?"
Butterblüm nickte und wieder einmal horchten alle Neugierigen unter den Gästen auf, also bis auf zwei alle Anwesenden.
"Ihr seht den König Gondors vor euch, der mich vor dem Tode entrissen hat."
Lautes Gelächter war die Folge von Frodos Behauptung und Butterblüm grinste wohlwollend.
"Soso, der gute Streicher also ist ein König? Von Gondor, sagtest du? Ich habe davon gehört, daß dort nun wieder einer herrschen soll, aber den nennt man Elbenstein, und so sieht der hier mir nicht aus, tut mir leid."
Alle lachten wiederum und Frodo spielte das Spiel mit.
"Warum denn nicht? Nur, weil ihr einige Gerüchte über Streicher gehört habt? Ich werde euch etwas erzählen. Streicher, das ist der Mann, der jahrelang im Exil gelebt hat und euch als Waldläufer bekannt ist, so wahr er hier sitzt. Doch später ist er seiner Berufung gefolgt und hat den Thron bestiegen."
"Stimmt das?" fragte ein Hobbit, der neben ihnen saß. "Und warum hat er dann Lumpen an?"
"Gute Frage", erwiderte Aragorn. "Vielleicht, um nicht erkannt zu werden von Strolchen in der Wildnis, wäre doch möglich!"
Niemand glaubte ihm ein Wort. Zu sehr glaubten sie alle an die Gerüchte, die man sich über Waldläufer anhören konnte.
"Ich sage euch, was er für mich getan hat, mutiger als ihr alle hier: Er ist den Orks, bei denen ich und der Herr Gamdschie uns befanden, bis in den Düsterwald gefolgt, wo die Spinnen sind. Vor diesen hat er uns gerettet, indem er ihnen einfach den Kopf abhieb! Ich finde, das ist eines Liedes wert, oder?"
Kichern war die Antwort. Streicher? Nie im Leben, das dachten sie sich. Dabei machte Aragorn auch noch ein todernstes Gesicht, was sie alle zur Genüge kannten, und lieferte ein perfektes Schauspiel ab.
"Er ist bei Elben aufgewachsen und mit einer von ihnen verheiratet, die seinetwegen ihr unsterbliches Dasein aufgegeben hat! Im Ringkrieg hat er Heldentaten vollbracht und kümmert sich dennoch ebenfalls um die Belange kleiner Hobbits wie mir. Ich finde, das ist doch etwas, womit ein guter König sich rühmen kann!"
Einige fragten sich inzwischen, ob vielleicht an der beharrlich aufgetischten Geschichte nicht doch etwas wahres sein konnte, aber das klang alles sehr seltsam und unglaubwürdig für ihre Ohren. Dabei war es die reine Wahrheit.
Schließlich beendete Aragorn den Spaß dann plötzlich, indem er den Umhang abnahm, sich flüchtig durch die Haare fuhr und an sein Schwert Narsil griff. Wortloses Staunen machte sich breit und alle starrten ihn verblüfft an.
"Herr Beutlin, also war alles wahr, was sie uns erzählt haben?"
"So wahr ich hier stehe, ja. Hier steht der König Gondors!"
Im gleichen Augenblick hörten sie Hufgetrappel vor dem Gasthaus und alle drängten hinaus, um das wundersame, bewundernswerte Gefolge betrachten zu können.
Nun begriff auch der letzte, daß sie alle den wirklichen König Gondors vor sich stehen hatten. Doch er und alle, die ihn begleiteten, blieben nur kurz und verkündeten, daß verstärkt Boten und Wachposten in die Gegend geschickt werden sollten, um sämtliche Unholde zu verjagen, die eventuell noch existierten.
Bald verließen alle die Stadt Bree wieder, denn sie konnten an diesem Tag noch einen weiten Weg zurücklegen.
Einige Meilen vor dem Alten Wald schlugen sie ihr Nachtlager auf und am nächsten Tag statteten sie Tom Bombadil einen Besuch ab, der erleichtert Sam und Frodo in die Arme nahm.
Beobachtet wurden sie alle dabei, das entdeckte Gandalf, von Gwaihir, der beruhigt zu seinem Horst im Gebirge zurückkehrte.
Bis zum Abend hatten sie die Brandyweinbrücke überschritten und legten sich zu einer letzten Nachtruhe im Freien, bevor sie Hobbingen erreichen würden. Sam konnte es kaum erwarten, aber auch er brauchte Schlaf und sie legten sich unter Bäume, um dem Schneefall zu entgehen, der sie zum Jahreswechsel hin überraschte. Doch sie waren alle widerstandsfähig und die Menschen waren professionell im Errichten eines wintertauglichen Nachtlagers.

Früh am nächsten Morgen waren die Hobbits bereits auf den Beinen und drängten ihre Mitreisenden zum Aufbruch. Schnell räumte man alles zusammen und war nach einem Frühstück bereit zur letzten Etappe der Reise.
Sie durchquerten Weißfurchen unter vielen neugierigen Blicken, ebenso am Mittag Froschmoorstetten und am Nachmittag erreichten sie bei gemächlichem Tempo schließlich Wasserau, wo viele Hobbits fast ängstlich auf die vielen Menschen reagierten, aber durch den Anblick der Hobbits bei ihnen beruhigt wurden. Viele riefen den Hobbits etwas zu und einige tuschelten miteinander. Andere schrien ganz offen: "Da ist Frodo Beutlin! Er ist wieder zurück und Menschen sind dabei!"
Viele Hobbits folgten den Reisenden bis nach Hobbingen, wo Sam schließlich Aragorn mit seiner Unruhe sogar noch ansteckte. Als sie dem Hofe der Kattuns immer näher rückten und nachher alle Hobbits draußen auf den Straßen waren, sprang Sam vom Pferd und rannte nach zum Hof von Rosies Vater. Gandalf schmunzelte und alle stiegen nun von den Pferden, um den Hobbits nicht allzu groß zu erscheinen. Die meisten Männer reagierten genauso verwundert auf die Hobbits wie diese auf sie. Man sah sich mit gebührendem Respekt und unbändiger Neugier an.
"Rosie! Rosie! Wir sind zurück! Rosie! Alles ist in Ordnung!" schrie Sam und rannte keuchend auf den Hof. Eine Tür öffnete sich und heraus trat Rosie mit Elanor auf dem Arm. Als sie Sam kommen sah, lief sie auf ihn zu und fiel ihm mit einem Stoßseufzer in die Arme.
"Papa ist wieder da!" rief Elanor und freute sich riesig. Schnell waren unzählige Hobbits auf dem Hof versammelt und die Menschen mit ihren Pferden versperrten die ganze Straße. Bevor Aragorn irgendetwas anderes tat, schickte er sie alle auf eine dem Hofe zugehörige Wiese und widmete sich erst dann dem hocherfreuten Wiedersehen.
Gut war nur, daß Rosie noch keine Ahnung hatte, was Sam alles durchgemacht hatte.
Frodo trat hinzu, ebenso Merry und Pippin, und Elanor umarmte Frodo mit den Worten: "Endlich ist Onkel Frodo wieder da! Es war soooo langweilig ohne dich!"
Merry grinste und Aragorn gesellte sich zusammen mit Arwen und Gandalf dazu. So standen sie da alle in einer Runde und Rosie widmete sich nun Frodo.
"Wie geht es dir? Bist du gesund? Bin ich froh, daß du wohlbehalten wieder zurück bist! Und ihr beiden, euch geht es auch gut? Ich bin ja so froh! Aber ihr... Gandalf kenne ich nun noch, aber der Mensch... wer seid Ihr?"
"Liebe Rosie! Es freut mich, endlich die Frau meines guten Freundes Samweis kennenzulernen und seine süße Tochter. Lange habe ich darauf gewartet. Ich bin Aragorn, ich bin der König von Gondor."
Rosie schrak zusammen, aber er sagte nur: "Nein, bekomm keinen Schrecken. Ich war viele Jahre lang in der Gegend als Waldläufer im Exil unterwegs und niemand braucht übertriebene Ehrfurcht zu haben. Ich bin schließlich mit allen vieren befreundet, und ich muß sagen, sie sind begeisterte Abenteurer!"
Zuerst kümmerte Aragorn sich darum, daß seine Männer irgendwo unterkommen konnten. Der Bauer Kattun bot sich sogleich an, seine große Scheune herrichten zu lassen, und dort fanden tatsächlich alle im Heu Platz. Es gefiel ihnen gut dort, es war warm und ihre Pferde wußten sie auf der Wiese nebenan versorgt. Nachdem dieses Problem gelöst war, gingen alle in die Küche des Bauernhofes und setzten sich zu einem ausführlichen Bericht bei einem Abendessen um den Tisch.
"Wo wart ihr denn so lange?" fragte die kleine Elanor, die auf Sams Schoß saß und neugierig in die Runde blickte.
"Das ist eine lange Geschichte. Den Anfang wirst du wohl noch wissen, aber was dann geschah... es gibt viel zu erzählen!"
Alle zusammen taten sie das dann auch während des Essens und Sam war froh, daß Elanor zwischendurch eingeschlafen war und so den unschönen Teil mit Orks und Spinnen nicht hören mußte. Rosie ängstigte sich noch im Nachhinein, doch sie spürte genau, Aragorn war mächtig genug, daß es ihm wenige Schwierigkeiten bereitet hatte, Sam und Frodo aus Todesgefahr zu retten.
Zuguterletzt stand sie auf und umarmte ihn, den König von Gondor, und sagte: "Ich hatte ja keine Ahnung! Doch was du getan hast, werde ich nie vergessen. Und auch alle anderen - wäret ihr nicht gewesen, dann säßen wir jetzt nicht hier und, ich mag gar nicht daran denken, ich hätte Sam nie wiedergesehen... schrecklich!"
So ganz war ihr scheinbar nicht bewußt, wovon gesprochen worden war, aber das war nun auch völlig egal.
Fasziniert zeigte sie sich von Arwen, der Elbin, und sie waren sich sofort sympathisch.
Nach einer langen Zeit des gemütlichen Beisammenseins machten sie sich schließlich auf nach Beutelsend: Sam, Rosie, Elanor, Frodo, Merry und Pippin, aber auch Gandalf und Aragorn. Im dichten Schneetreiben sah Aragorn noch ein letztes Mal an diesem Tage nach seinen Männern, denen es in der großen Scheune gut erging, und folgte dann den anderen.
Für Sam ging ein Traum in Erfüllung: Endlich näherte er sich wieder seinem Heim. überglücklich betrat er den Flur und Rosie kümmerte sich indes um die Unterbringung der Gäste. Für Gandalf, Arwen und Aragorn, die aufgrund ihrer Größe natürlich nicht in ein Hobbitbett paßten, mußte sie sich etwas ausdenken, aber sie war erfinderisch und schließlich sanken beide zufrieden in einem Zimmer in viele weiche Kissen und Decken, wo sie bald darauf einschliefen.
Merry und Pippin taten es ihnen gleich in einem Gästezimmer direkt nebenan. Sam, der seine schlafende Tochter auf den Armen trug, legte sie in ihrem Zimmer sanft ins Bett und deckte sie behutsam zu. Es war so wunderschön für ihn, endlich wieder zu Hause zu sein, daß er erst gar nicht glauben wollte, daß es tatsächlich so war. Frodo stand auf einmal hinter ihm und sagte: "Bist du auch so glücklich? Ich kann das gar nicht in Worten ausdrücken!"
"So geht es mir auch. Ich bin endlich wieder hier. Es kommt mir so vor, als wäre die schreckliche Zeit schon ewig her!"
Frodo nickte undverschwand müde in seinem Zimmer.
Rosie und Sam umarmten sich und sie sagte: "Endlich bist du wieder hier!"
"Das freut mich auch so sehr. Ich habe es lange vermißt."
Sie waren die letzten, die sich schlafen legten an diesem Tag.

Am nächsten Morgen wachte Frodo von Elanors Lachen auf. Sie war mit Pippin in den Garten gegangen und die beiden bauten einen Schneemann. Merry schlich über die Flure, ungeduldig auf die anderen wartend, damit endlich gefrühstückt werden konnte. Frodo gesellte sich zu ihm und sie fanden Rosie und Arwen in der Küche vor, wo sie einen Tee kochten. Sam schlief noch, ebenso Aragorn und Gandalf.
Rosie sah Frodo an und fragte: "Und er ist wirklich der König? Er hat zwar etwas majestätisches an sich, aber er ist wirklich sehr sympathisch!"
Mit einem Lächeln nickte Frodo.
"Wenn wir ihn nicht hätten, ich wüßte nicht, was wäre!"
Sie setzen sich um den Tisch und irgendwann kam Aragorn dann dazu, munter und ausgeruht, auf dem Weg zu seinen Männern. Er berichtete, daß Gandalf ebenfalls wach war und in ihrem Zimmer saß, aber bald kommen würde.
Vorher tauchte noch Sam auf, verschlafen, aber sichtlich zufrieden. Als Aragorn dann zurückkehrte und die beiden aus dem Garten mitbrachte, frühstückten sie endlich.
Es wurde ein sehr vergnüglicher Tag, und das auch für Aragorns Gefolgsleute, die mit den um sie herumlungernden Hobbits Freundschaft schlossen.
Die ganze Zeit ihres Aufenthaltes in Hobbingen wurde unvergeßlich für sie, die sich gut mit den Hobbits standen. Aragorn und Arwen gefiel es gut in Beutelsend und Gandalf erzählte Sams kleiner Tochter viele spannende Geschichte.
Es sah so aus, als hätten Sam und Frodo vergessen, was geschehen war; Merry und Pippin sowieso. Nur in einer Nacht schrak Frodo plötzlich aus einem Alptraum hoch, in dem er geträumt hatte, Sam wäre an seinen Verletzungen gestorben. Doch als er diesen daraufhin beunruhigt weckte, konnte er sich davon überzeugen, daß seine Wunden gut verheilt waren und nie kehrte ein Alptraum des Nachts wieder.
Nach einer Woche verabschiedeten Pippin und Merry sich, die es beide in ihr Heim zurückzog, aber sie kamen zwischendurch noch einmal kurz vorbei, und einen guten Monat später stand bei den Menschen aus Gondor die Rückreise an. Gandalf hatte sich in der Zwischenzeit ein eigenes Heim in der Nähe von Beutelsend eingerichtet und verabschiedete gemeinsam mit den Hobbits Aragorn, Arwen und die Männer im Gefolge. "Ich verspreche euch, wir waren nicht zum letzten Male hier und wir erwarten euch in Gondor. Kommt, wann es euch beliebt. Wir werden immer Freunde sein und euer Land steht unter unserem Schutz! Lebt wohl!" sprach Aragorn zum Abschied und die Menschen ritten davon.
Lange sahen Sam und Frodo ihnen nach und blickten sich dann gegenseitig an.
"Jetzt hat der Alltag uns endgültig wieder. Ich habe mich so sehr nach diesem Frieden gesehnt!" sagte Sam.
"Ich mich auch. Du glaubst nicht, wie froh ich bin, daß die Dinge zum Schluß eine solche Wendung nahmen! Wenn ich dich nicht gehabt hätte, was wäre dann gewesen?" fragte Frodo und sie gingen über den Gartenweg zurück in Richtung Tür.
"Weißt du was? Das ist mir egal. Mich beschäftigt vielmehr ein Gedanke: Für ein Kind ist Beutelsend zu groß. Eines weiß ich: Meinen ersten Sohn nenne ich nach dir!"
"Sam, du bist wunderbar", sagte Frodo und schloß die Tür hinter ihnen beiden.